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Irankrise: Der vertagte Krieg - DER SPIEGEL

Irankrise: Der vertagte Krieg - DER SPIEGEL

Nach fünf Tagen Nervenkitzel trat US-Präsident Donald Trump im Weißen Haus vor die Kameras, um so etwas wie eine Waffenruhe mit Teheran zu verkünden: "Iran scheint sich zurückzuhalten." Im Gegenzug seien auch die USA bereit, den "Frieden zu umarmen".

Der Auftritt war Trumps Antwort auf die iranischen Luftangriffe in der Nacht zuvor. Die wiederum waren eine Antwort auf die Tötung des Topgenerals Qasem Soleimani durch die USA am Freitag.

So schaukelte sich das hoch, bis Trump den Fuß wieder vom Gas nahm.

Beide Seiten scheuten am Ende vom Abgrund zurück. Doch was ist hier wirklich geschehen? Was erreicht Trump damit? Hat sich die Lage jetzt verbessert? Die amtlichen Antworten bleiben bisher ungenügend - und sind wie so oft nur mit Vorsicht zu genießen.

Warum ließ Trump Soleimani töten?

Trump hatte den Befehl zur Tötung Soleimanis zunächst mit einer "unmittelbaren Bedrohung" durch Terroranschläge begründet. Am Mittwoch verzichtete er jedoch auf das Wort "unmittelbar" und sprach nur noch vage von "neuen Angriffen" auf US-Ziele, die Soleimani geplant habe. Details verschwieg er allerdings weiter.

Drei Stunden später bekam der Kongress hinter verschlossenen Türen angebliche Geheiminformationen präsentiert, die Soleimanis Tötung rechtfertigen sollten. Zu diesem Briefing entsandte Trump Außenminister Mike Pompeo, Verteidigungsminister Mark Esper, Generalstabschef Mark Milley und CIA-Direktorin Gina Haspel.

Das Ergebnis war vernichtend. "Völlig unzureichend", schimpfte der Demokrat Gerry Connolly: Das Weiße Haus fabriziere "nachträglich eine Begründung" für Trumps Hauruckaktion. Er habe "nicht den geringsten Beweis" für eine akute Bedrohung durch Soleimani gehört, sagte Senator Cory Booker. Mindestens zwei Republikaner zeigten sich ebenfalls empört. Der Abgeordnete Mike Lee nannte es das "schlechteste Briefing", das er je erlebt habe, es sei "eine Beleidigung" gewesen. Andere gaben sich zufrieden - doch die Kernfragen ließen auch sie unbeantwortet.

Hat Trump eine Langzeitstrategie?

Trumps Iranstrategie bleibt ein Rätsel. Begann die Konfrontation als impulsiver Akt oder war sie Teil eines genialen Masterplans? Bei seiner Basis dürfte Trump damit jedenfalls punkten: Vor dem Impeachment und rechtzeitig zu den Wahlen kann er den starken Mann markieren - und die Gegner als unpatriotisch abstempeln.

Auch deshalb ziehen manche längst den Vergleich zu den manipulierten Informationen, mit denen George W. Bush 2003 zum Irakkrieg geblasen hatte. "Wir wurden schon einmal in einen Krieg hineingelogen", sagte die ehemalige CIA-Agentin Valerie Plame, damals eine der prominentesten Kritikerinnen der Invasion, im TV-Sender MSNBC. "Jetzt passiert das schon wieder."

Trumps Rede offenbarte noch ein anderes Motiv. Mehrmals gab er seinem Vorgänger Barack Obama die Mitschuld an dem Konflikt. Auch forderte er Großbritannien, Frankreich, Deutschland, Russland und China auf, das unter Obama ausgehandelte Iran-Atomabkommen ganz aufzugeben - nur um dann gemeinsam mit ihm, Trump, einen neuen "Deal" auszuhandeln. Er will also seinen eigenen Namen auf Obamas Pakt setzen wie auf eine Immobilie.

Hat sich der Irankonflikt entschärft?

Soleimanis Tod hat sicher eine abschreckende Wirkung auf die Führung in Teheran. Doch die bisher von ihm gesteuerten Terroraktivitäten werden sicher auch ohne ihn weitergehen.

Auch anderweitig könnte diese Fünftageskrise für Trump nach hinten losgehen. Der Atomdeal hatte Irans Nuklearambitionen und die Terrorgefahr gedrosselt. Erst Trump erhöhte beide Risiken jetzt wieder. Der Weg zurück ist nun vorerst verbaut, Schätzungen zufolge ist Iran seinem Ziel sogar näher als je unter dem Deal.

"Der Angriff auf Soleimani hat Irans Atomwaffenprogramm im Ganzen neu belebt", resümierte der Demokrat Chris Murphy. Zudem könnte die Eskalation jetzt dazu führen, dass die USA aus dem Irak abziehen müssten, ein Ziel Irans. Derweil liegt der Kampf gegen den IS brach. "Die Welt ist gefährlicher als vor einer Woche", schreibt "New York Times"-Kolumnist Nicholas Kristof.

Wie geht es weiter?

Die Demokraten im US-Repräsentantenhaus wollen an diesem Donnerstag eine Resolution verabschieden, um militärische Alleingänge Trumps einzuschränken. Es ist jedoch fraglich, ob die auch im von den Republikanern beherrschten Senat durchkommt.

Ausgestanden ist die Krise also noch lange nicht. Eine neue Phase scheint nur eine Frage der Zeit. Zu befürchten sind Anschläge der Terror-"Proxies" Irans und Cyberattacken auf westliche Ziele.                                                                       

Trump kündigte deshalb zwar jetzt auch "zusätzliche Sanktionen" gegen Iran an - ohne aber zu sagen, wie diese über die bestehenden hinausgehen würden. Stattdessen verbreitete er erneut bekannte Falschheiten, etwa dass die Iraner am Tag, als das Atomabkommen 2015 unterzeichnet wurde, "Tod für Amerika" skandiert hätten.

Das erste Opfer des Krieges, so ein alter Spruch, ist die Wahrheit.

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2020-01-09 07:54:00Z
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