Die Bundesregierung zieht die Bundeswehr teilweise aus dem Irak ab. Die in Bagdad und Tadschi stationierten rund 30 Soldaten würden aus Sicherheitsgründen vorübergehend nach Jordanien und Kuwait verlegt, teilten Außenminister Heiko Maas (SPD) und Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) den Obleuten von Außen- und Verteidigungsausschuss des Bundestags in einem Schreiben am späten Montagabend mit. Der Brief liegt WELT vor.
Das deutsche Kontingent werde „vorübergehend ausgedünnt“, heißt es darin. Das geschehe aus Sicherheitsgründen und auf Anordnung der Operationsführung des Anti-IS-Einsatzes in Bagdad.
Deutschland sei grundsätzlich bereit, den Irak weiter zu unterstützen, „sofern dies durch den Irak gewünscht ist und die Lage es erlaubt“. Die Bundesregierung wolle nun hochrangige Vertreter zu Konsultationen nach Bagdad entsenden, um zu klären, „wie die irakische Seite das künftige Verhältnis zur internationalen Anti-IS-Koalition gestalten will“. Das irakische Parlament hatte am Wochenende den Abzug aller internationalen Truppen gefordert.
Eine von Beginn an verkorkste Mission
Die Mutter des Ausbildungseinsatzes der Bundeswehr im Zentralirak heißt Ursula von der Leyen (CDU). Im Frühjahr 2018 brachte die frühere Verteidigungsministerin im Koalitionsvertrag von Union und SPD folgende Formulierung unter: „Die Bundeswehrmission im Nordirak war erfolgreich, der IS ist dort weitgehend militärisch zurückgedrängt. Deshalb können wir das Ausbildungsmandat im Nordirak auslaufen lassen.“
Stattdessen solle dieses Mandat zur Bekämpfung des IS-Terrors weiterentwickelt werden, „insbesondere durch Capacity Building“. Damit war die Ausbildung von Soldaten der irakischen Zentralregierung in Bagdad gemeint.
Von der Leyen schwebte damals eine Beteiligung der Bundeswehr an einer Nato-Ausbildungsmission vor, so hatte sie es jedenfalls mit dem damaligen US-Verteidigungsminister James Mattis besprochen. Die CDU-Politikerin wollte den Amerikanern nicht noch weitere Angriffspunkte für den Vorwurf geben, das mit seinen Zahlungen an die Nato in Verzug befindliche Deutschland sei im Bündnis ein sicherheitspolitischer Trittbrettfahrer.
Von der Leyen folgte deshalb dem altbekannten Muster: Irgendwie dabei sein, ohne allerdings allzu große Risiken einzugehen. So war es schon 2015 bei dem dritten Baustein des Anti-IS-Einsatzes gelaufen; damals schickte die Bundesregierung Tornado-Kampfjets in die Region, die allerdings nicht bombardieren, sondern fotografieren sollten. Auch diese Jets sind zu Aufklärungszwecken weiterhin vor Ort, zogen zwischenzeitlich aus der Türkei nach Jordanien um. Bei der Ausbildungsmission im Zentralirak sollten nun ABC-Abwehrkräfte, Sanitäter und Pioniere geschult werden.
Doch es kam alles anders als geplant. Weder wurde die doch angeblich erfolgreich abgeschlossene Ausbildung der Kurden im Nordirak beendet, noch beteiligte sich Deutschland an der Nato-Mission. Zwar schickte Berlin tatsächlich Soldaten nach Bagdad und Tadschi in den Zentralirak, allerdings nicht unter dem Dach des Bündnisses, sondern aufgrund eines bilateralen Abkommens mit dem Irak.
Hintergrund: Der Regierungspartner SPD wollte den Eindruck einer zu großen Nähe zu US-Präsident Donald Trump vermeiden. Deshalb heißt es im Mandatstext nun, die deutsche Beteiligung am Fähigkeitsaufbau der irakischen Sicherheitskräfte erfolge „auf Grundlage der Bitte der Regierung Iraks“. Auch im irakischen Parlament bestehe „der ausdrückliche Wunsch“ nach deutscher Unterstützung.
Mit der Aufforderung des irakischen Parlaments, das nach dem US-Angriff auf den iranischen General Qassem Soleimani für einen Abzug der rund 5000 im Land stationierten US-Soldaten und aller ausländischen Truppen gestimmt hatte, wurde dem Mandat ein Teil dieser Grundlage entzogen.
Grüne, Linke und AfD im Bundestag hielten den Einsatz deshalb für nicht mehr rechtskonform und forderten den „schnellstmöglichen Abzug“. Die Bundesregierung wollte zuvor noch das Gespräch mit der Administration in Bagdad suchen. Außenminister Heiko Maas (SPD) sagte vor diesen Gesprächen: „Natürlich will niemand ein militärisches Engagement im Irak gegen den Willen des Parlaments und der Regierung.“
Die Bundeswehr bereitet sich also auf den Rückzug vor. Logistisch ist das eine überschaubare Herausforderung: Im Hauptquartier der internationalen Anti-IS-Koalition in Bagdad sind lediglich fünf deutsche Soldaten stationiert, im Militärkomplex Tadschi, 30 Kilometer nördlich von Bagdad, kümmern sich 27 Bundeswehrsoldaten um die Ausbildung irakischer Kräfte. Knapp 90 deutsche Soldaten sind im nordirakischen Kurdengebiet im Einsatz.
„Wir prüfen derzeit alle Möglichkeiten, um – wenn nötig – die deutschen Soldaten reaktionsschnell zurückholen zu können“, teilte ein Sprecher des Verteidigungsministeriums zuvor mit. Die Ausbildung sei bereits ausgesetzt, kein Soldat verlasse die geschützten Stützpunkte. Auch der in diesen Tagen geplante Kontingentwechsel, also die Ablösung der aktuell im Irak eingesetzten Soldaten durch Nachfolger aus Deutschland, sei vorerst verschoben.
Vorläufiges Fazit: Der von Beginn an verkorkste Einsatz steht vor einem unrühmlichen Ende. Überraschen kann das nicht wirklich, entsprechende Warnungen hatte es schon im Frühjahr 2018 gegeben. „Ohne ein politisch mit den Regional- und Großmächten abgestimmtes Konzept, insbesondere vor dem Hintergrund einer schwachen Regierung, ist jegliche militärische Unterstützung ziel- und zwecklos“, hatte Oberstleutnant André Wüstner, Vorsitzender des Bundeswehrverbandes, damals WELT gesagt.
Wüstner vermisste ein „strategisches Konzept als Grundvoraussetzung für jeden Einsatz“, er warnte vor der komplizierten Konfliktlage zwischen Sunniten, Schiiten und Kurden sowie dem Machtkampf der in der Region dominanten Mächte Iran, Russland, USA, Türkei, den Golfstaaten und Israel. Und er prophezeite, dass die Bundeswehr die „Folgen eines konzeptionslosen und naiven politischen Vorgehens“ werde ausbaden müssen. Zugehört hat ihm – niemand, weder in der Regierung, noch im Parlament.
2020-01-07 07:55:00Z
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