Böllern oder nicht böllern: Kurz vor dem Jahresende erreicht die Klimadiskussion auch den Handel mit Silvesterfeuerwerk.
Eine Reihe von Einzelhändlern verzichten in diesem Jahr erstmals auf das lukrative Geschäft mit Krachern und Raketen, um einen Beitrag zum Umweltschutz zu leisten. „Die Knallerei dauert eine Stunde, aber Tierschutz und saubere Luft wollen wir 365 Tage im Jahr. Das passt nicht zusammen“, sagt etwa Uli Budnik. Seine Rewe-Märkte im Dortmunder Süden macht er in diesem Jahr zur böllerfreien Zone.
Einer aktuellen Umfrage zufolge hat er mit dieser Entscheidung eine deutliche Mehrheit der Bundesbürger hinter sich. Laut einer Befragung des Meinungsforschungsinstituts YouGov (2000 Teilnehmer, für das RedaktionsNetzwerk Deutschland) befürworten 57 Prozent aus Umwelt- und Sicherheitsgründen ein Verbot von Böllern zu Silvester. 36 Prozent sprechen sich gegen ein Verbot aus, sieben Prozent sind unschlüssig.
Bei Anhängern aller Parteien findet ein Verbot demnach eine deutliche Mehrheit. Nur die Wähler der AfD befürworten ein Verbot lediglich zu 40 Prozent. Die Zustimmung liegt bei über 55-Jährigen mit 63 Prozent besonders hoch, am geringsten ist die Zustimmung bei den 35- bis 54-Jährigen (51 Prozent).
Auch die Umwelthilfe will aktiv werden
Die Grünen-Bundestagsabgeordnete Canan Bayram sagte dem RedaktionsNetzwerk dazu: „Ein Böllerverbot in Städten halte ich für unausweichlich.“ Sie unterstütze die Bundesländer in dem Wunsch, rechtssichere Verbote für Feuerwerkskörper einzuführen. „Klar ist, dass es unter Umwelt- und Gesundheitsschutzaspekten möglich und geboten sein sollte.“
Umweltschützern ist die Böllerei an Silvester schon seit Jahren ein Dorn im Auge, weil sie Feinstaub verursache und gefährlich für Kinder und Tiere sei. Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) sieht nun die Zeit für Veränderungen gekommen, da die Konsumenten so umweltbewusst sind wie lange nicht.
„Wir hoffen, dass ein Ruck durch die Gesellschaft geht und die Menschen in diesem Jahr weniger Böller und Raketen kaufen“, sagt DUH-Chef Jürgen Resch. Anfang 2020 wolle man die Händler auffordern, den Feuerwerksverkauf komplett einzustellen.
Der CDU-Innenpolitiker Philipp Amthor hält ein Verbot aber nicht für verhältnismäßig. Er erklärte: „Wer aus Gründen der Feinstaubbelastung jetzt auch noch das Silvesterfeuerwerk verbieten will, hat jedes Gefühl für eine sinnvolle Schwerpunktsetzung verloren.“ Er habe persönlich jedes Verständnis für eine skeptische Haltung, aber Verbotsdiskussionen gingen ihm zu weit. „Jeder kann zu Silvester auf Feuerwerk verzichten, aber er braucht dafür doch nicht den Staat, um ihm das zu verbieten.“
Böllerverzicht ist unternehmerisches Risiko
Der Forderung nach einem Böllerverzicht kommen derweil immer mehr Händler freiwillig nach. Als prominentester Vertreter kündigte die Baumarktkette Hornbach jüngst an, von 2020 an in Deutschland kein Feuerwerk mehr ins Sortiment zu nehmen. Für dieses Jahr war es zu spät, die Ware war schon geliefert. Einige Kaufleute bei Rewe und Edeka verzichten aber auch in diesem Jahr schon auf das Geschäft mit Silvesterböllern.
Händler, die die Silvesterknaller aus Umweltschutzgründen aus dem Angebot nehmen, gehen durchaus ein gewisses Risiko ein. „Wir verzichten auf den Umsatz, und wir wissen nicht, wie die Kunden reagieren“, sagt Christoph Windges, der einen der größten Edeka-Märkte Nordrhein-Westfalens betreibt und in diesem Jahr ebenfalls keine Silvesterknaller im Angebot hat. Schließlich könne der Kunde einfach in den nächsten Supermarkt gehen und dort seine Einkäufe erledigen.
Deutschlandweit hat die Branche im vergangenen Jahr rund 133 Millionen Euro Umsatz mit Böllern und Raketen gemacht und geht von ähnlichen Werten in diesem Jahr aus. Angesichts der Zahl gibt sich der Verband der pyrotechnischen Industrie weiter selbstbewusst. Man habe es mit einer „Scheindebatte“ zu tun, heißt es. Feuerwerk sei deutlich weniger schädlich als oft behauptet. Hornbachs Böllerboykott nennt der Verband einen „Marketing-Gag“. Von den 33.000 Supermärkten in Deutschland verzichteten ohnehin nur wenige auf den Verkauf.
„Die Nachfrage ist ungebrochen“, glaubt der Fachmann
Auch Branchenkenner Uwe Krüger vom Kölner Institut für Handelsforschung (IFH) geht davon aus, dass die Nachfrage weiter hoch bleibt. „Ich glaube nicht, dass die Konsumenten dieses Jahr weniger Geld für Feuerwerk ausgeben werden“, sagt er. „Die Nachfrage ist ungebrochen, und der Handel wäre schlecht beraten, diese nicht zu bedienen.“ So haben Aldi, Lidl, Kaufland und Real angekündigt, an dem Geschäft mit der Knallerei festhalten zu wollen, weil es die Kunden so wünschen.
Für Firmen wie Weco könnte es an die Existenz gehen, sollten sich im kommenden Jahr auch die großen Ketten dem Boykott anschließen. Doch beim deutschen Branchenführer gibt man sich gelassen. Hornbach habe zuletzt ohnehin „keine nennenswerten Silvesterumsätze“ gemacht. Mit den Großkunden dagegen stehe man schon in Verhandlungen für Silvester 2020 und sehe dort „noch keinerlei Anzeichen für Verzichtsabsichten“.
„Solange die großen Discounterketten nicht mitziehen, wird sich wenig tun“, glaubt auch der Experte Krüger. Und wenn doch, könnten viele Böller ohne Sicherheitsabzeichen in den Umlauf kommen, warnt er. „Die Erfahrung zeigt: Je stärker die Kunden eingeschränkt werden, desto eher wandern sie ins Internet ab. Und da gibt es auch gefährliche Waren.“
Der Dortmunder Rewe-Marktleiter Uli Budnik hat die georderten Kartons mit Silvesterfeuerwerk dennoch abbestellt, seine Entscheidung über Facebook kundgetan – und fast nur positives Echo bekommen, wie er sagt. Und er klingt entschlossen, wenn er ankündigt: „Wir werden das auch im nächsten Jahr beibehalten. Geld verbrennen kann jeder, wie er will. Aber wir machen da nicht mit.“
140 zusätzliche Polizisten in Berlin
Zum ersten Mal gelten in der Berliner Silvesternacht mehrere große Verbotszonen für Feuerwerk. Bisher war die Knallerei bereits auf der Partymeile am Brandenburger Tor untersagt. Nun hat die Polizei Böller und Raketen auch vom Alexanderplatz und aus dem Gebiet rund um die Pallasstraße in Berlin-Schöneberg verbannt. So soll verhindert werden, dass Gruppen junger Männer wie in den vergangenen Jahren Polizisten und Feuerwehrleute mit Böllern und Raketen bewerfen und beschießen.
Insgesamt 140 Polizisten, jeweils eine Hundertschaft, sollen in diesem Jahr in den beiden neuen Verbotszonen kontrollieren, ob sich alle Feiernden an das Verbot halten. Die Polizei kündigte an, Feuerwerkskörper notfalls „mit Zwang“ zu beschlagnahmen. Bußgelder werden allerdings nicht verhängt.
Das Verbot gilt Silvester von 18.00 Uhr bis zum Neujahrsmorgen um 6.00 Uhr für Raketen, Sonnen und Feuerräder, Fontänen, Chinaböller, Feuertöpfe, Feuerwirbel und Bengalfackeln. Erlaubt sind nur Wunderkerzen, Tischfeuerwerke und Knallerbsen. In den entsprechenden Straßen dürfen die Menschen Feuerwerkskörper gar nicht erst dabei haben.
2019-12-27 11:47:00Z
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