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Heftige Kritik an Carsten Linnemanns Grundschul-Vorstoß - WELT

Heftige Kritik an Carsten Linnemanns Grundschul-Vorstoß - WELT

Der Vorstoß von Unionsfraktionsvize Carsten Linnemann, Kinder, die kein Deutsch sprechen, nicht zur Grundschule zuzulassen, stößt auf scharfe Kritik. Linke-Chefin Katja Kipping sagte der Nachrichtenagentur dpa, mit seinen Äußerungen zu Grundschulkindern gehe Linnemann auf „Stimmenfang im rechten Sumpf“.

Kipping warf dem CDU-Politiker vor, das Thema mit Meldungen über Gewalttaten von Erwachsenen zu vermengen. „Ist ihm nicht bekannt, dass der Täter von Frankfurt, der offensichtlich eine psychotische Störung hatte, fließend deutsch spricht und als Schweizer praktisch den gleichen Migrationshintergrund hat wie Alice Weidel?“

Linnemann hatte gefordert, dass Kinder, die nicht Deutsch sprechen, nicht an Grundschulen aufgenommen werden. „Um es auf den Punkt zu bringen: Ein Kind, das kaum Deutsch spricht und versteht, hat auf einer Grundschule noch nichts zu suchen“, hatte er der „Rheinischen Post“ gesagt.

Linnemann schlägt für betroffene Kinder eine Vorschulpflicht vor. Notfalls müsse eine Einschulung auch zurückgestellt werden, sagte er. Es müssten alle Alarmglocken schrillen, wenn bei Sprachtests wie in Duisburg mehr als 16 Prozent der künftigen Erstklässler gar kein Deutsch könnten.

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ARCHIV - Eine Schülerin schreibt am 06.05.2014 in Schwäbisch Gmünd (Baden-Württemberg) beim Deutschunterricht für Asylbewerber auf die Tafel (Illustration zum Thema Deutschkurse) . Ein Jahr nach der Einführung haben bereits rund 38 000 Zuwanderer die neuen, vom Bund finanzierten Deutschkurse besucht. (zu dpa "38 000 Teilnehmer bei neuen Deutschkursen" vom 30.07.2017) Foto: Franziska Kraufmann/dpa +++(c) dpa - Bildfunk+++
Fremdsprache Deutsch

In Österreich gibt es bereits eine neue Regelung. Dort müssen Schulanfänger künftig in einem Test beweisen, ob sie ausreichend Deutsch können. Wenn das nicht der Fall ist, kommen sie in Förderklassen mit eigenem Lehrplan. Das hatte das österreichische Parlament mit den Stimmen der damaligen Regierungsparteien ÖVP und FPÖ im Mai beschlossen.

Der damalige Bildungsminister Heinz Faßmann (ÖVP) hatte erklärt, es gehe darum, Startnachteile auszugleichen und langfristig für mehr Chancengerechtigkeit zu sorgen. Die Schüler sollten so schnell wie möglich in den Regelunterricht wechseln. Anlass des Gesetzes war die Erfahrung, dass nicht zuletzt durch die gestiegene Zuwanderung Kinder weder bei der Einschulung noch beim Verlassen der Schule ausreichend gut Deutsch sprechen. Für das Programm werden knapp 450 neue Lehrerstellen geschaffen.

Die Opposition hatte das Gesetz kritisiert. Die ehemalige Bildungsministerin Sonja Hammerschmid (SPÖ) hatte von „fahrlässiger Politik auf dem Rücken der Schüler und vor allem auch der Pädagogen“ gesprochen. Ab dem kommenden Schuljahr werden Schüler, die den Test nicht bestehen, einer Deutschförderklasse zugewiesen.

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In der Grundschule erhalten sie 15 Stunden Sprachunterricht pro Woche, später 20 Stunden. Gemeinsamer Unterricht mit den Schülern aus der Regelklasse ist in Fächern wie Musik, Sport und Werken möglich. Ab acht Schülern kann eine Förderklasse gebildet werden. Österreich nehme sich bei dem Schritt deutsche Bundesländer zum Vorbild, hieß es.

Das Gesetz sieht auch höhere Strafen beim Schwänzen der Schule vor. Ab dem vierten Fehltag droht eine Verwaltungsstrafe von mindestens 110 Euro.

Linnemann warnte in dem Interview mit der „Rheinischen Post“ zudem vor neuen Parallelgesellschaften „in vielen Bereichen des Landes“. Er erlebe bis tief hinein in die Mittelschicht Eltern, die ihre Kinder auf Privatschulen schickten, weil das Niveau an staatlichen Schulen sinke, sagte der CDU-Politiker. „Die Vorfälle in Freibädern, die Tat auf dem Frankfurter Bahnsteig, die Schwertattacke in Stuttgart – das alles wühlt die Menschen auf und befeuert die Sorge, dass neue Parallelgesellschaften entstehen könnten. Dem müssen wir jetzt vorbeugen.“

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Der Präsident des Deutschen Lehrerverbands, Heinz-Peter Meidinger sagte am Montag, Linnemann habe natürlich Recht damit, dass die eigentliche sprachliche Förderung vor der Grundschule erfolgen müsste. Kinder sollten nach Meidingers Ansicht schon lange vor der Einschulung verpflichtende Sprachtests durchlaufen. „Ich bin ein absoluter Anhänger von bundesweiten, flächendeckenden Sprachstandstests bei Drei- und Vierjährigen.“ Es gebe Ansätze dafür in einigen Ländern, aber leider passiere dann zu wenig, weil ausgebildetes Personal fehle, und Grundschullehrer seien sowieso Mangelware.

„Eine Bankrotterklärung der Politik“

Kritik am Vorstoß des Unionsfraktionsvizes kommt vom Verband Bildung und Erziehung (VBE). Die Forderung, Kinder, die kein Deutsch könnten, nicht einzuschulen, sei eine Bankrotterklärung der Politik, sagte der VBE-Vorsitzende Udo Beckmann der dpa. Zudem sei sie diskriminierend. „Denn es läuft doch darauf hinaus, dass vor allem Kinder mit Migrationshintergrund oder Fluchterfahrung zurückgestellt werden würden.“

Der VBE forderte mit Blick auf Sprachförderung von der Politik mehr Unterstützung für die Kitas. Fast alle Kinder gingen inzwischen vor der Einschulung dorthin. Aber trotz hohen Engagements der Erzieherinnen und Erzieher führten Gruppengrößen, unzureichende Personalschlüssel und fehlende Sprachexperten dazu, dass manche Kinder nicht angemessen gut Deutsch sprächen.

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Die schleswig-holsteinische Bildungsministerin Karin Prien (CDU) wies den Vorstoß von Linnemann ebenfalls vehement zurück. Prien sprach gegenüber der „Süddeutschen Zeitung“ von „populistischer Unfug“ und einem „völlig falschen Weg“. Diese Kinder gehörten vielmehr „im Rahmen der Regelbeschulung“ in Deutsch-als-Zweitsprache-Klassen.

Die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, Annette Widmann-Mauz (CDU), widersprach Linnemanns Vorstoß und forderte vielmehr eine frühe Sprachförderung für Kinder in der Schule. Sie stellte gegenüber der „Rheinischen Post“ klar: „An der Schulpflicht gibt es nichts zu rütteln.“ Nötig sei eine „gezielte Sprachförderung von Anfang an“. Dazu gehörten „verpflichtende Sprachtests und Förderprogramme, die möglichst früh ansetzen“.

Widmann-Mauz forderte, Lehrer im Alltag mehr zu unterstützen – etwa durch mehr begleitende Sprachvermittlung an Schulen und gemischte Teams mit Sozialarbeitern, Erziehern und Sozialpsychologen. Aber auch die Eltern müssten stärker in die Pflicht genommen werden. „Denn Bildung ist entscheidend für die Integration und Zukunftschancen aller Kinder.“

Die SPD-Bildungspolitikerin Marja-Liisa Völlers sagte, die Aussagen Linnemanns seien „wirklich zum Fremdschämen und populistisches Getöse wie in Wahlkampfzeiten“. Man könne Kinder nicht von der Grundschule ausschließen, nur weil sie schlecht Deutsch sprächen. Das schaffe Parallelgesellschaften und langfristige Integrationsprobleme, anstatt sie zu lösen. „Die Kinder sind genau richtig da, wo sie sind. Ein besseres Lernumfeld für alle Kinder als Schulunterricht mit Gleichaltrigen gibt es doch gar nicht.“

Anmerkung der Redaktion: Die Nachrichtenagentur dpa hatte in einer Meldung zu Linnemanns Interviewaussagen zunächst von einem „Grundschulverbot“ geschrieben, das der CDU-Politiker fordere. WELT hatte diesen Begriff übernommen. Linnemann selbst wies diesen Ausdruck für seinen Vorstoß am Dienstag zurück. Ihm gehe es darum, dass es Konsequenzen haben müsse, wenn Kinder vor der Schule die sogenannten Sprachstandstests nicht bestünden. Wenn dann trotzdem eingeschult würde, hätten weder die Kinder aus deutschsprachigen noch die aus nicht-deutschsprachigen Haushalten etwas davon, sagte Linnemann am Dienstag der dpa. Auch die dpa hatte den Begriff in ihrer Meldung nachträglich korrigiert.

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2019-08-06 11:19:00Z
https://www.welt.de/politik/deutschland/article198005351/Linnemann-fordert-Grundschulverbot-fuer-Kinder-die-kein-Deutsch-koennen-Heftige-Kritik.html

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