Der ehemalige Thüringer Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) hat Vorschlägen widersprochen, denen zufolge die Wahl eines unabhängigen Kandidaten oder die Einsetzung einer Expertenregierung die Regierungskrise in Thüringen lösen könnten. "Es wäre gut, wenn die Berliner Parteizentralen jetzt mal stiller wären", sagte Ramelow. "Manche Ratschläge sind wie Schläge." Am vergangenen Sonntag hatte FDP-Parteichef Christian Lindner vorgeschlagen, eine Expertenregierung nach österreichischem Vorbild einzusetzen, da Ramelow "in dieser empfindlichen Situation" kein geeigneter Kandidat mehr sei.
Dem hat Ramelow widersprochen. Am lautesten seien derzeit Vertreter der Parteien, die einen Anteil daran hätten, dass es bei der Wahl des Ministerpräsidenten am vergangenen Mittwoch zum Desaster gekommen sei. Auch erinnerte er daran, dass es der Thüringer AfD-Chef Björn Höcke war, der nach der Landtagswahl Ende Oktober Briefe an CDU und FDP geschrieben habe, in denen er unter anderem vorschlug, Ramelows rot-rot-grüne Koalition durch eine Expertenregierung abzulösen. Höcke hatte damals eine Zusammenarbeit mit den Mitte-rechts-Parteien angeboten, um eine "bürgerliche Mehrheit" gegen Ramelow herbeizuführen.
Außer Lindner hat auch Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) die Idee einer Expertenregierung aufgegriffen. Diese solle "von einer anerkannten, neutralen Persönlichkeit" geführt werden, sagte er der Wirtschaftswoche. Nach einem Jahr solle es dann eine Landtagswahl geben. Dies biete seiner Ansicht nach mehrere Vorteile: "Das würde den Wählerwillen auch in der jetzigen Lage anerkennen und den Handelnden erlauben, das Gesicht zu wahren."
"Wir haben keine Zeit zu vergeuden"
Ramelow hingegen strebt eine baldige Ministerpräsidentenwahl an. Dort will er sich erneut als Kandidat zur Abstimmung stellen. "Bedingung muss vor allem sein, es darf auf Stimmen der AfD nicht ankommen", sagte der ehemalige Regierungschef. Wichtig sei, dass es schnell wieder eine handlungsfähige Regierung gebe, die für geordnete Neuwahlen sorgen könnte. Dafür sei er bereit, mit der CDU und FDP zu kooperieren: "Wir haben keine Zeit zu vergeuden." Dass ihm vier Stimmen für eine eigene Mehrheit fehlen und damit ein weiteres Scheitern bei einer Wahl möglich ist, ist für Ramelow kein Grund, nicht mehr zu kandidieren: "Das ist meine staatspolitische Verantwortung", sagte er.
Rot-rot-grün habe eine arbeitsfähige Regierung, führte er aus. "Wir sind handlungsfähig und nicht irgendein Dritter." Aktuell drohe Thüringen eine Staatskrise, was daran bemerkbar sei, dass das Land am Freitag erstmals nicht im Bundesrat vertreten sein werde. Der geschäftsführende Ministerpräsident Thomas Kemmerich will nach FDP-Angaben nicht zur Tagung der Länderkammer fahren, um Provokationen zu vermeiden. Weiterhin gehe es Ramelow nicht darum, eine Neuwahl zu erzwingen, auch wenn er der "Profiteur" von Neuwahlen wäre. Jüngsten Umfragen zufolge käme die Linke dann auf 37 bis 39 Prozent, wesentlich mehr als die 31 Prozent im vergangenen Oktober. Die FDP hingegen wäre mit vier Prozent nicht mehr im Landtag vertreten.
Neben seinen Plänen zur Regierungsbildung in Thüringen berichtete Ramelow auch vor zunehmenden Drohungen aus der rechtsextremen Szene. So sagte er in der ARD-Sendung "Maischberger", was er und seine Familie seit seiner gescheiterten Wahl erlebten, sei bisher beispiellos. Vor allem die Identitäre Bewegung habe ihn nach einem Tweet "zum Feind Nummer eins" gemacht. Er und seine Familie stünden unter Polizeischutz. Bei dem inzwischen gelöschten Tweet Ramelows handelte es sich um einen Vergleich des Handschlags von Höcke und Kemmerich mit dem zwischen Adolf Hitler und dem Reichspräsidenten Paul von Hindenburg im Jahr 1933. Im Text über den Bildern erwähnte Ramelow die erste Regierungsbeteiligung der NSDAP 1930, zu der es damals in Thüringen kam.
Am vergangenen Mittwoch hatte sich Thüringens FDP-Chef Kemmerich im dritten Wahlgang zur Abstimmung gestellt, nachdem Ramelow in den ersten zwei Wahlgängen nicht genug Stimmen hinter sich vereinen konnte. Mit Hilfe von CDU und der AfD, die zwar einen eigenen Kandidaten aufstellte, ihn jedoch nicht gewählt hat, holte Kemmerich eine Mehrheit und ließ sich vereidigen. Wegen massiven Protests seitens vieler Politikerinnen und Politiker und einer Intervention der Bundeskanzlerin, die eine Wahl mit AfD-Stimmen "unverzeihlich" nannte, trat Kemmerich nach drei Tagen zurück und ist momentan noch geschäftsführend im Amt.
2020-02-13 08:01:00Z
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