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Boris Johnson schickt das Unterhaus in eine Zwangspause - nun regt sich erheblicher Widerstand. Unterhauspräsident John Bercow tobt und auch die Queen soll sauer sein.
22.53 Uhr: Er bringt das Parlament mit seiner Zwangspause an den Rande der Verzweiflung - und offenbar auch die Queen: Boris Johnson.
Für Kenner des britischen Königshauses ist klar, dass die Art, wie Queen Elizabeth II. (93) am Mittwoch in die Tagespolitik hineingezogen wurde, sie verärgert.
Premierminister Boris Johnson hatte bei der Königin überraschend beantragt, das Parlament in London länger als sonst in Zwangsurlaub zu schicken, nämlich bis zum 14. Oktober. An diesem Tag stellte die Queen sein Regierungsprogramm vor („Queen’s Speech“).
Das Kalkül: Die Entscheidung gibt den Abgeordneten deutlich weniger Zeit als von ihnen gewünscht, um einen ungeregelten Brexit Ende Oktober zu verhindern.
BBC-Experte Nicholas Witchell kritisierte laut Bild, die Königin habe bei ihrer Zustimmung „keine andere Wahl gehabt, als auf den Rat ihrer Minister zu hören“. Sie habe sich bei dieser Entscheidung „bedrängt“ gefühlt. „Sie und ihre Berater werden offen gesagt verstimmt sein über die Art und Weise, wie dies geschehen ist“, analysierte der BBC-Experte.
„Nur in der Theorie“ hätte die Queen „Nein“ sagen können, meint Brexit-Experte Iain Begg von der London School Of Economics. Ähnlich argumentiert Experte Nicolai von Ondarza von der Stiftung Wissenschaft und Politik: „Für die Queen war es in Zeiten dieser Spaltung der Gesellschaft das Unpolitischste, dem Rat der Regierung zu folgen. Ein Veto wäre höchst umstritten gewesen. Für die Monarchie hat sie das Richtige getan.“
Brexit: Johnson „knebelt“ das Unterhaus: Nun droht eine Rebellion - Merkel äußert sich
Update 17.25 Uhr: Das britische Unterhaus ist nach der von Premier Johnson verordneten Zwangspause in Aufruhr - inhaltliche Fortschritt in Sachen Brexit gibt unterdessen offenbar nach wie vor nicht.
Zumindest Kanzlerin Angela Merkel (CDU) sind im Ringen um einen geregelten Austritt Großbritanniens aus der EU nach eigenen Worten keine neuen Vorschläge aus London zur Lösung der Grenzfrage in Irland bekannt.
„Ich habe jetzt keinen neuen Sachstand seit dem Besuch von dem britischen Premierminister. Aber ich gehe davon aus, dass dort gearbeitet wird“, sagte sie am Donnerstag nach dem Antrittsbesuch des neuen griechischen Ministerpräsidenten Kyriakos Mitsotakis in Berlin.
Johnson in Brexit-Clinch mit dem Unterhaus: Abgeordnete ziehen vor Gericht
Update 14.35 Uhr: Ein schottisches Gericht hat am Donnerstag kurzfristig eine Anhörung zu der von Premierminister Boris Johnson verordneten Zwangspause des britischen Parlaments anberaumt. Das teilte der Court of Session in Edinburgh mit.
Geklagt hatte eine Gruppe von Oppositionsabgeordneten. Sie wollen eine einstweilige Verfügung erreichen, bis gerichtlich geklärt ist, ob die vorübergehende Schließung des Parlaments rechtmäßig ist. Solange soll die sogenannte Prorogation des Unterhauses nach dem Willen der Kläger nicht wirksam werden.
Die Chefin der schottischen Konservativen, Ruth Davidson, hat unterdessen ihr Amt niedergelegt. Das teilte sie am Donnerstag mit. Die Gründe dafür seien in erster Linie privat, schrieb die 40-Jährige. Sie wolle mehr Zeit mit ihrer Familie verbringen.
Davidson gilt als eine der erbittertsten Gegnerinnen eines ungeregelten Brexits in der Tory-Partei. Spekulationen, der Zeitpunkt ihres Rücktritts habe mit der Entscheidung von Premierminister Boris Johnson zu tun, das Parlament in Westminster vorübergehend zu schließen, wies Davidson jedoch zurück. Ihre Botschaft an Johnson sei: „Premierminister, besorgen sie uns einen Deal mit der Europäischen Union.“
Boris Johnson und Brexit: „Frevel!“ - Großbritannien droht „Rebellion“
Erstmeldung vom 29. August: London - Ein Sturm der Entrüstung auf den Straßen und im Netz - und ernste Bemühungen um ein parteiübergreifendes Gegenbündnis im Unterhaus: Der Zorn über die vom britischen Premierminister Boris Johnson mitten im Brexit-Prozess verordnete Zwangspause für das britische Parlament wächst.
Brexit: Parteiübergreifende Rebellion gegen Johnson? Unterhaus sucht nach Lösungen
Laut einem Bericht des Guardian versuchen Abgeordnete mehrerer Parteien - eine „Rebellen-Allianz“, wie das Blatt schreibt - derzeit, Johnsons Ansinnen zu torpedieren. „Wir werden versuchen müssen, etwas zu tun, wenn das Parlament nächste Woche zurückkehrt“, sagte der Tory und frühere Schatzkanzler Philip Hammond. Kommende Woche hat das Unterhaus dazu noch einmal Gelegenheit, ehe es am 9. September in die Pause geschickt wird. Ein Problem dabei: Über die Mittel und Wege herrscht offenbar Unklarheit.
Eine Option wäre ein Misstrauensvotum gegen Johnson. Allerdings müsste für einen Erfolg binnen 14 Tagen eine neue Mehrheit gefunden werden. Eine solche scheint derzeit nicht in Aussicht. Alternativ könnte in einer „Fast-Track-Gesetzgebung“ ein Gesetz gegen einen No-Deal-Brexit durch das Unterhaus gebracht werden. Auch dieser Prozess dürfte aber schwierig werden. Parlamentspräsident John Bercow, der über die geplante Zwangspause für das Parlament nicht vorab informiert war, bezeichnete die verlängerte Sitzungspause als "Verfassungsfrevel".
Labour-Chef Jeremy Corbyn nannte die Zwangspause einen "Skandal" und warf Johnson vor, die Demokratie zu zerschlagen, um "einen No-Deal-Brexit zu erzwingen". Einen Misstrauensantrag gegen die Regierung will er „zu gegebener Zeit“ einreichen.
Brexit-Chaos: Proteste, 1,2 Millionen Stimmen in Online-Petition - und eine Klage gegen Johnson
Eine Online-Petition gegen die umstrittene Maßnahme wurde binnen weniger Stunden von mehr als einer Million Menschen unterzeichnet. Die Initiatoren verlangen, dass das Parlamentsgeschehen nicht unterbrochen wird, solange Großbritannien den Austritt aus der Europäischen Union nicht verschiebt oder seinen Austrittsantrag zurückzieht. Solche Petitionen kann jeder Bürger einbringen, sie sind aber vor allem symbolischer Natur. Am Donnerstagmorgen standen bereits mehr als 1,2 Millionen virtuelle Unterschriften zu Buche.
In mehreren Städten gingen am Mittwochabend Tausende Menschen auf die Straßen. In London versammelten sich Demonstranten nahe des Parlaments und von Johnsons Amtssitz in der Downing Street. Sie forderten ein Ende des "Putsches" und schwenkten Europafahnen.
Die Aktivistin und Geschäftsfrau Gina Miller teilte Berichten zufolge mit, sie habe rechtliche Schritte gegen die Entscheidung eingeleitet. Miller hatte bereits 2017 ein Verfahren gegen die Regierung gewonnen, bei dem es um die Rechte des Parlaments bei der EU-Austrittserklärung ging.
Brexit: Johnson will Parlament in Zwangsurlaub schicken - Auch Aufruhr bei den Tories
Auch in seiner eigenen Partei löste Johnson eine heftige Kontroverse aus. Hammond twitterte: „Zutiefst undemokratisch.“ Es sei eine Schande, wenn das Parlament davon abgehalten werde, der Regierung in Zeiten einer nationalen Krise auf die Finger zu schauen.
It would be a constitutional outrage if Parliament were prevented from holding the government to account at a time of national crisis. Profoundly undemocratic.
— Philip Hammond (@PhilipHammondUK) 28. August 2019
Theresa Mays früherer Kabinettschef David Lidington erklärte, das Parlament werde „geknebelt“. Er machte Johnson schwere Vorwürfe. „Es ist eine ziemlich gute Regel, nichts zu tun, was man nicht eine Regierung einer anderen Partei tun lassen wollen würde, wenn man mit den parlamentarischen oder verfassungsrechtlichen Gepflogenheit herumspielt“, betonte er in einem Interview mit BBC. Johnson liefere ein schlechtes Beispiel für kommende Regierungen.
Medienberichten zufolge wollte die Chefin der schottischen Konservativen, Ruth Davidson, noch am Donnerstag ihren Rücktritt bekannt geben. Auslöser für den Rückzug der Politikerin sollen demnach vor allem private Gründe sein, doch der Zeitpunkt gab Anlass für Spekulationen über einen tiefen Riss in der Partei: Davidson war Johnsons erbittertste innerparteiliche Rivalin im Wahlkampf vor dem Brexit-Referendum 2016 und ist eine entschiedene No-Deal-Gegnerin. Sie galt einst als Hoffnungsträgerin der Tory-Partei.
Brexit: Johnson blockiert britisches Parlament - Queen stimmte am Mittwoch zu
Johnson hatte dem Parlament in London zwei Monate vor dem geplanten Brexit eine Zwangspause verordnet. Königin Elizabeth II. stimmte am Mittwoch einem Antrag Johnsons zu, die traditionelle Parlamentspause bis zum 14. Oktober zu verlängern. Die Entscheidung gibt den Abgeordneten deutlich weniger Zeit als von ihnen gewünscht, um einen ungeregelten Brexit zu verhindern.
Johnson droht mit einem chaotischen Brexit, sollte sich die EU nicht auf seine Forderung nach Änderungen am Austrittsabkommen einlassen. Mehrmals hatte er in den vergangenen Tagen gewarnt, Brüssel solle sich nicht darauf verlassen, dass die Abgeordneten einen No Deal verhindern würden. Sollte es tatsächlich dazu kommen, wird mit drastischen Konsequenzen für die Wirtschaft auf beiden Seiten des Ärmelkanals gerechnet.
Knackpunkt im Streit zwischen London und Brüssel ist vor allem der sogenannte Backstop. Diese Klausel würde Großbritannien so lange an bestimmte EU-Regeln binden, bis eine andere Lösung zur Vermeidung von Grenzkontrollen zwischen dem EU-Mitglied Irland und der britischen Provinz Nordirland gefunden ist. London sieht darin inakzeptable Fesseln. Das Austrittsabkommen scheiterte bereits drei Mal im Parlament. Erst im Juli war Johnson Theresa May als Premierminister nachgefolgt.
Brexit: Unterhaus kommt nächste Woche noch einmal zusammen - Johnson sieht genügend Zeit für Debatten
Das Unterhaus kommt nach der Sommerpause nächste Woche erstmals zusammen. Schon in der Woche danach beginnt die viereinhalbwöchige Zwangspause. Sie soll erst enden, wenn die Queen am 14. Oktober das neue Regierungsprogramm verliest.
Es bleibe genügend Zeit für alle nötigen Debatten, beschwichtigte Johnson am Mittwoch in einem Brief an alle Abgeordneten. „Wenn es mir gelingt, einen Deal mit der EU auszuhandeln, hat das Parlament die Gelegenheit, das zur Ratifizierung eines solchen Deals nötige Gesetz vor dem 31. Oktober zu verabschieden.“
Der quälende Brexit-Prozess zeigt auch Auswirkungen auf das britische politische Systeme - ein Ende des gewohnten Zwei-Parteien-Systems scheint möglich, wie Merkur.de* berichtet.
dpa/AFP/fn
*Merkur.de ist Teil des bundesweiten Ippen-Digital-Redaktionsnetzwerks.
2019-08-30 08:41:00Z
https://www.merkur.de/politik/brexit-johnson-empoert-mit-zwangspause-sogar-queen-sie-ist-verstimmt-zr-12954591.html
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