Wenn Angela Merkel (CDU) am Donnerstag ihren Auftritt beim Weltwirtschaftsforum in Davos hat, kommt sie vermutlich mit leeren Händen. Als Impulsgeber für die malade Weltwirtschaft hat sich Deutschland im Laufe der vergangenen zwei Jahre abgemeldet. Wachstumsfördernde Maßnahmen sind von der Bundesregierung nicht zu erwarten: Von beherzten Strukturreformen ist gar nicht die Rede. Und der fiskalische Spielraum, den der Bund hat, wird für immer neue Sozialleistungen und Subventionen genutzt – aber nicht dazu, Leistungs- und Investitionsanreize zu setzen.
Ein weiterer Nackenschlag kommt jetzt vom Internationalen Währungsfonds (IWF). Die Experten aus Washington haben die Wachstumsaussichten für Deutschland erneut gesenkt und rechnen für 2020 nur noch mit einem Wachstum von 1,1 Prozent. Das liegt deutlich unter dem Durchschnitt der Industriestaaten, für die der IWF 1,6 Prozent voraussagt, wie die Organisation zum Auftakt des Weltwirtschaftsforums in Davos mitteilte.
„Wirtschaftswunder 2.0“, „Konjunkturlokomotive Deutschland“ – solche Schlagzeilen sind von vorgestern. Es gab sie aber. 2016 erreichte Deutschland mit 2,2 Prozent das mit Abstand höchste Wirtschaftswachstum unter den sieben traditionell größten Industrieländern (G 7). 2017 reichte es immerhin noch zu Platz zwei hinter Kanada. 2018 dann, als immer mehr Unternehmen unter dem Eindruck der trumpschen Handelskriege ihre Investitionspläne zurückstellten, reichte es nur noch für Platz vier.
Und wenn der IWF mit seiner jüngsten Schätzung richtig liegt, dann wird Deutschland im eben zu Ende gegangenen Jahr auf einem Abstiegsplatz gelandet sein: Die 0,5 Prozent Miniwachstum dürften nur von Italien unterboten werden.
Deutschlands Wachstumskrise verfestigt sich
Die 1,1 Prozent, die nun für 2020 in Deutschland vorhergesagt werden, mögen im Vergleich zu 2019 viel klingen, sind aber vor allem darauf zurückzuführen, dass das laufende Jahr mehr Arbeitstage hat. Und es reicht auch so nur für einen Relegationsplatz: Außer in Italien wird das Wachstum nur in Japan schwächer sein als in Deutschland, so die IWF-Prognose.
Vor allem die deutsche Industrie erklärt der IWF zum Konjunkturrisiko. Auch Ende 2019 noch habe der Sektor „im Schrumpfungsbereich verharrt“, glauben die Ökonomen.
Die Prognosen des IWF suggerieren, dass sich die deutsche Wachstumskrise verfestigt hat. Bis Mitte des vergangenen Jahres hatten viele Auguren noch mit einer kräftigen Konjunkturwende im Jahr 2020 gerechnet. Auch der IWF hatte zwischenzeitlich der deutschen Ökonomie ein Wachstum von 1,6 Prozent zugetraut. Doch mit jedem neuen Ausblick wurde die Prognose gesenkt.
Einige der Risiken, die über der Weltwirtschaft gehangen haben, hätten sich relativiert, so der IWF – und zählt den Handelsdeal zwischen Peking und Washington auf, den unwahrscheinlicher gewordenen No-Deal-Brexit und die weiterhin extrem lockere Geldpolitik. Dementsprechend gebe es „vorläufige Anzeichen, dass sich das globale Wachstum auf verringertem Niveau stabilisiert“. Für einige wichtige Volkswirtschaften setzte der IWF seine Prognose für 2020 sogar leicht herauf, Brasilien etwa, China und Japan.
Die Zahlen offenbaren, dass Deutschland zu einer Art Schönwetter-Ökonomie degeneriert ist. Immer wenn die Weltwirtschaft läuft, floriert auch die hiesige Konjunktur dank der Exportwirtschaft. Zu größeren eigenen Impulsen ist das Land nicht mehr fähig, wenngleich die Binnenwirtschaft inzwischen auch zum Wachstum beiträgt.
Die deutschen Konzerne haben bei ihren Exporterfolgen auch ganz besonders vom unterbewerteten Euro profitiert. Gemessen am Big-Mac-Index, den das britische Wirtschaftsmagazin „Economist“ in der vergangenen Woche veröffentlicht hat, ist die Gemeinschaftswährung zum Dollar um mehr als 19 Prozent unterbewertet. Der Buletten-Indikator misst die Kaufkraft der einzelnen Währungen und errechnet daraus den fairen Wechselkurs. Danach müsste der Euro bei rund 1,30 Dollar stehen.
Doch wenn die globale Konjunktur stockt oder deutsche Autos im Ausland nicht mehr so gefragt sind, nützt ein billiger Euro nichts mehr. Und auch für die Weltwirtschaft sieht der IWF keinen neuen wirtschaftlichen Boom. Für dieses Jahr und das kommende Jahr reduzierten die Experten ihre Prognose auf 3,3 beziehungsweise 3,4 Prozent. Vom Ausland kann sich Merkel also keine große Wachstumshilfe erwarten.
2020-01-20 13:52:00Z
https://news.google.com/__i/rss/rd/articles/CBMiamh0dHBzOi8vd3d3LndlbHQuZGUvd2lydHNjaGFmdC9hcnRpY2xlMjA1MTY5Mjc3L0lXRi1Qcm9nbm9zZS1EZXV0c2NobGFuZC1nZWZhbmdlbi1pbi1kZXItQWJzdGllZ3N6b25lLmh0bWzSAWpodHRwczovL2FtcC53ZWx0LmRlL3dpcnRzY2hhZnQvYXJ0aWNsZTIwNTE2OTI3Ny9JV0YtUHJvZ25vc2UtRGV1dHNjaGxhbmQtZ2VmYW5nZW4taW4tZGVyLUFic3RpZWdzem9uZS5odG1s?oc=5
Lesen Sie später weiter >>>>
Bagikan Berita Ini
0 Response to "IWF-Prognose: Deutschland, gefangen in der Abstiegszone - WELT"
Post a Comment