Für Jeremy Corbyn geht es bei der britischen Parlamentswahl um alles. Gelingt seiner Labour-Partei die Überraschung, löst er Boris Johnson als Premier ab. Andernfalls droht dem Oppositionsführer das politische Aus.
In den vergangenen Wochen war in Großbritannien wieder häufiger ein Ruf zu hören, der Jeremy Corbyn im Frühsommer 2017 beinahe zum großen Überraschungstriumph getragen hatte. "Oh Jeremy Corbyn" skandieren die Anhänger des Labour-Chefs bei dessen Wahlkampfauftritten - wie damals auf die Melodie des White-Stripes-Hits "Seven Nation Army".
Vor zwei Jahren war dies der Sound einer furiosen Aufholjagd. Binnen sechs Wochen kletterte Labour von deutlich unter 30 Prozent in den Umfragen auf mehr als 40 Prozent bei der Wahl - und die damalige Premierministerin Theresa May konnte sich nur eben so in Downing Street halten. Corbyn, dieser Altlinke mit ausgebeulten Sakkos und Zauselfrisur, ein jahrelanger Hinterbänkler aus London-Islington, war der gefeierte Star einer linken Massenbewegung.
Jetzt, im Spätherbst 2019, sucht Corbyn seit Wochen fieberhaft nach einer ähnlichen Dynamik. Bislang ohne Erfolg. Zwar schallt sein Name erneut durch Hallen und über Plätze. Doch in den Umfragen kommt Labour kaum vom Fleck. Jüngste Erhebungen sehen die Partei zwischen 28 und 34 Prozent - deutlich hinter den regierenden Tories, die eine absolute Mehrheit anpeilen. Dazu sitzen sowohl die erstarkten Liberalen als auch die rechtspopulistische Brexit-Partei Labour im Nacken.
Im moderaten Flügel rumort es
Dabei könnte die bevorstehende Parlamentswahl am 12. Dezember auch für Corbyns persönliche Karriere entscheidend sein. Gelingt ihm die Sensation und stellt Labour mehr als die Hälfte der künftigen Abgeordneten, löst Corbyn Premier Boris Johnson ab. Er wäre der erste Linksaußen-Politiker seit Jahrzehnten, der in Downing Street einzieht.
Doch was, wenn es nicht reicht? Wenn die Tories triumphieren, wonach es derzeit aussieht? Für Corbyn, das ist klar, dürfte es dann eng werden.
Denn insbesondere im unter Corbyn marginalisierten moderaten Flügel rumort es. Vor allem in der Fraktion gibt es noch immer zahlreiche Wirtschaftsliberale und Gemäßigte, die den Linksruck der vergangenen Jahre an Parteispitze und Parteibasis noch immer nicht verdaut haben. Zudem gibt es reichlich Frust wegen Corbyns allenfalls halbherziger Versuche, das Antisemitismus-Problem bei Labour in den Griff zu bekommen.
Die Moderaten trauern den alten Zeiten nach, in denen sich Labour als Partei der Mitte definierte, Zeiten, in denen Tony Blair regierte. Und der frühere Premierminister macht schon lange keinen Hehl daraus, was er von Corbyn hält. Dieser würde in Downing Street "ein Risiko" für die Zukunft Großbritanniens darstellen, sagte Blair dieser Tage.
In den eigenen Reihen wächst der Druck
Doch auch in den Reihen von Corbyns einstigen Verbündeten bröckelt der Rückhalt. Schattenkanzler John McDonnell erklärte kürzlich, er könne "nicht sehen", wie er oder Corbyn ihre Posten im Falle einer Niederlage behalten sollten. Man werde sich dann an die Tradition halten und "eine Wahl für einen neuen Anführer" durchführen, sagte McDonnell dem "GQ magazine". Schattenwirtschaftsministerin Rebecca Long-Bailey pflichtete ihm bei. Ein Rücktritt sei das, was nach einer Wahlschlappe "üblicherweise passiert".
Für Unruhe im unmittelbaren Umfeld des Labour-Chefs sorgten auch die Einlassungen von Oberhaus-Mitglied Lord Kerslake. Dieser erinnerte daran, dass Corbyns Zukunft auch bei einem knappen Wahlerfolg keinesfalls sicher sei. Sollte Labour stärkste Kraft werden, jedoch die absolute Mehrheit verpassen, wäre die Partei zur Zusammenarbeit gezwungen - etwa mit den Liberaldemokraten oder der SNP. Vor allem die Liberalen haben mehrfach klargemacht, dass sie nicht bereit sind, eine Regierung unter dem linken Hardliner Corbyn mitzutragen. Soll heißen: Damit eine Minderheitsregierung funktioniert, müsste Labour jemand anderen an die Spitze setzen.
Und Corbyn selbst? Der Oppositionsführer weicht Fragen nach seiner eigenen Karriere aus. Im Wahlkampf gehe es nicht um ihn, erklärt er lediglich. Auch das ist allerdings ein Unterschied im Vergleich zu 2017. Damals hatte der Labour-Chef noch klar gesagt, dass er weitermachen wolle - auch wenn seine Partei die Wahl verliert.
2019-12-08 08:08:00Z
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