Bei den Landtagswahlen hat die AfD besonders bei früheren Nichtwählern gepunktet, in Sachsen noch deutlicher als in Brandenburg. Und auch bei jüngeren Wählern ist die Partei in Sachsen überraschend stark.
Trotz großer Zugewinne hat es die AfD nicht geschafft, in Brandenburg oder in Sachsen stärkste Kraft zu werden. In beiden Fällen setzte sich die Partei des amtierenden Ministerpräsidenten durch, einmal die SPD und einmal die CDU. Trotzdem mussten beide Gewinner im Vergleich zu den Wahlen vor fünf Jahren klare Verluste hinnehmen, erreichten gar historisch schlechte Werte - während die AfD deutlich zulegte.
Ein Grund für den Zugewinn der Rechtspopulisten: Die AfD hat so stark wie keine andere Partei von der gestiegenen Wahlbeteiligung profitiert. Rund 40 Prozent der AfD-Wähler waren vor fünf Jahren noch zu Hause geblieben.
Das geht aus der Analyse zur Wählerwanderung von Infratest dimap hervor. Das Wahlforschungsinstitut berechnet sie auf Grundlage eigener Befragungen, des vorläufigen Endergebnisses sowie weiterer amtlicher Statistiken. Die Werte sind eine grobe Schätzung dafür, wie viele Wähler eine Partei im Vergleich zur vorherigen Wahl halten konnte und wie viele zu und von anderen Parteien ab- oder zugewandert sind.
In Sachsen gewann die AfD fast eine Viertelmillion ehemalige Nichtwähler: 246.000 von ihnen wählten die Rechtspopulisten. Das allein sind bereits mehr Menschen, als bei der Landtagswahl 2014 noch insgesamt für die Partei stimmten. Die AfD hat die absolute Zahl ihrer Wähler damit mehr als verdreifacht. Ein weiterer wichtiger Faktor für den Erfolg: Die AfD jagte auch dem direkten Konkurrenten um Platz eins viele Wähler ab: Mehr als 80.000 Menschen, die zuletzt für die CDU gestimmt hatten, wählten nun die AfD.
Die Partei von Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) konnte diesen Verlust zwar ausgleichen: Auch sie mobilisierte viele Nichtwähler, jagte SPD und Linke Stimmen ab und kam so in absoluten Zahlen auf mehr Wähler als vor fünf Jahren. Doch bei der hohen Wahlbeteiligung führte das dennoch zu einem deutlich geringeren Zweitstimmenanteil: Die CDU verlor sieben Prozentpunkte.
Die Linke verlor an alle Parteien mehr Wähler, als sie von ihnen gewann. Sie konnte auch nur wenige frühere Nichtwähler mobilisieren. Damit schrumpfte ihre Wählerschaft trotz hoher Wahlbeteiligung um mehr als ein Viertel. Als Ostpartei kann sie damit nicht mehr gelten. (Lesen Sie hier eine Analyse zur Krise der Linken.)
Noch schlechter erging es der SPD: Nur 36 Prozent der SPD-Wähler von 2014 stimmten auch in diesem Jahr für die Sozialdemokraten. Die SPD verlor dabei Stimmen an fast alle Parteien. Kleinere Zuströme gab es nur von der Linken und von der Gruppe der ehemaligen Nichtwähler.
Die Grünen konnten frühere Wähler fast aller anderen Parteien für sich gewinnen. In absoluten Zahlen verdoppelten sie damit ihre Wählerschaft. Trotzdem scheint der Höhenflug der vergangenen Monate vorerst gestoppt.
Auch in Brandenburg punktete die AfD besonders stark bei früheren Nichtwählern (mehr als 100.000). Außerdem wechselten knapp 30.000 frühere CDU-Wähler zu ihr, zudem kamen Stimmen aus dem bisherigen SPD- und Linken-Lager. Damit holte die Partei in absoluten Zahlen mehr als doppelt so viele Wähler wie 2014.
Ähnlich wie in Sachsen verlor die Linke auch in Brandenburg Wähler an fast alle anderen Parteien. Davon profitierte vor allem die SPD von Ministerpräsident Dietmar Woidke. Die Sozialdemokraten mobilisierten außerdem zahlreiche Nichtwähler und rangen der CDU einige Stimmen ab.
Die CDU verlor ausnahmslos an alle Parteien mehr Wähler, als sie von ihnen gewann. Nur aus dem Lager der früheren Nichtwähler verzeichnete sie einen nennenswerten Zustrom.
Die Grünen kamen auf gut doppelt so viele Stimmen wie vor fünf Jahren: Sie überzeugten frühere Nichtwähler sowie ehemalige Wähler von Linke, SPD und CDU.
Auch die Freien Wähler kommen in ihrer absoluten Stimmenzahl auf mehr als doppelt so viele Wähler wie 2014 - mit Zuströmen aus fast allen Lagern. Mit fünf Prozent schafft die Partei in Fraktionsstärke den Einzug ins Parlament.
Und für wen stimmten die Erstwähler? In beiden Bundesländern machte der größte Teil von ihnen gar nicht von seinem Stimmrecht Gebrauch: 49 Prozent in Brandenburg und 44 Prozent in Sachsen.
Senioren retten die Wahlsieger
Ein Blick auf die Wählergruppen in Sachsen zeigt, dass die AfD in vier von sechs Altersgruppen vorn liegt. Erst bei der Gruppe über 60 fallen die Rechtspopulisten zurück. Auffällig ist die Stärke bei jungen Wählern: Zwar erreicht die Partei in der Gruppe der 18- bis 24-Jährigen ihren schwächsten Wert - für Platz eins reicht das aber trotzdem. Hier liegt die Partei sogar vor den Grünen, wenn auch nur mit einem Prozentpunkt. Bei den 25- bis 34-Jährigen beträgt der Vorsprung der AfD auf Platz zwei dann sogar sieben Prozentpunkte. Die CDU hat letztlich gewonnen, weil sie wie gewohnt bei älteren Wählern punktet: 41 Prozent der Wähler ab 60 stimmten für die CDU.
Anders als in Sachsen liegen die Grünen in Brandenburg bei den jungen Wählern klar vorn: 27 Prozent der 16- bis 24-Jährigen stimmten für die Partei, die CDU kommt hier nur auf ein einstelliges Ergebnis.
Eine Parallele zu Sachsen: Der Wahlsieger, in diesem Fall die SPD, profitiert besonders von den Stimmen älterer Wähler: Die Werte der Sozialdemokraten steigen mit jeder Altersgruppe - bis hin zu 42 Prozent bei den Wählern ab 70 Jahren. Die Brandenburger AfD holt in dieser Altersgruppe wie in Sachsen ihr schwächstes Ergebnis (13 Prozent). Bei den drei Altersgruppen zwischen 25 und 59 Jahren liegen die Rechtspopulisten vorn - ebenfalls wie in Sachsen.
AfD punktet vor allem bei Arbeitern
Innerhalb der verschiedenen Berufsgruppen geht das gute Ergebnis der Sachsen-AfD vor allem auf die Arbeiter zurück. 41 Prozent von ihnen stimmten für die Rechtspopulisten, nur ein Viertel für die CDU. Die Christdemokraten liegen wiederum bei den Angestellten und Selbstständigen knapp auf Platz eins - bei den Rentnern ist die CDU deutlich vorn. Die Grünen und die FDP holen ihr bestes Ergebnis bei den Selbstständigen (13 Prozent). Die SPD holt einzig bei den Rentnern noch ein zweistelliges Ergebnis (12), auch die meisten Wähler der Linken kommen aus dieser Gruppe (12).
In Brandenburg sehen die Verhältnisse etwas anders aus, gerade was die AfD angeht. Die Partei liegt zwar auch hier bei den Arbeitern ganz klar vorn (44 Prozent), schafft es aber auch bei den Angestellten (23) knapp und bei den Selbstständigen (34) deutlich auf Platz eins. Die SPD gewinnt die Wahl dank der Stimmen der Rentner. Die CDU kommt dort abgeschlagen auf Platz zwei, die stärkste Gruppe der Christdemokraten sind Selbstständige.
Bei AfD-Wählern sind Männer deutlich in der Mehrheit
Die AfD verdankt ihr Ergebnis in beiden Bundesländern vor allem männlichen Wählern. In Sachsen wählten 32 Prozent der Männer die Rechtspopulisten, dagegen nur 22 Prozent der Frauen. Bei allen anderen Parteien beträgt der Unterschied zwischen den Geschlechtern maximal einen Prozentpunkt - mit Ausnahme der CDU: Sie konnte bei 35 Prozent der Wählerinnen punkten und nur bei 29 Prozent der Wähler.
In Brandenburg sind die Geschlechtsunterschiede bei der AfD-Wählerschaft noch ausgeprägter. Hier stimmten 17 Prozent der Frauen für die Rechtspopulisten, aber 30 Prozent der Männer. Bei den übrigen Parteien war das Geschlechterverhältnis nahezu ausgeglichen - nur bei der SPD gab es noch deutliche Unterschiede: 29 Prozent der Frauen stimmten für die Sozialdemokraten, aber nur 24 Prozent der Männer.
CDU in Sachsen und SPD in Brandenburg bei Menschen mit hoher und niedriger Bildung stark
Die CDU in Sachsen punktete bei Wählern mit hohem und niedrigem Bildungsgrad: In beiden Gruppen liegen die Christdemokraten auf Platz eins. Und in beiden Fällen folgt dahinter die AfD - bei Menschen mit hoher Bildung allerdings mit großem Abstand und nur knapp vor den Grünen. Platz eins erreichen die Rechtspopulisten bei Menschen mit mittlerer Bildung: Hier stimmten 35 Prozent der Wähler für die AfD. Die SPD erreicht in allen Gruppen einstellige Werte. Bei den Grünen gilt: Je höher die Bildung, desto mehr Menschen wählen sie.
In Brandenburg sehen die Verhältnisse sehr ähnlich aus. Auch hier dominiert der Wahlsieger, in diesem Fall die SPD, bei Menschen mit hoher und Menschen mit niedriger Bildung. Bei Wählern mit hoher Bildung folgen CDU, Grüne und AfD gleichauf, allerdings deutlich hinter den Sozialdemokraten. Bei Menschen mit niedriger Bildung liegt die AfD klar auf Platz zwei. Besonders aber kommen die Rechtspopulisten bei Menschen mit mittlerer Bildung an: Hier lässt die AfD selbst die SPD hinter sich und holt mit 29 Prozent den besten Wert aller Parteien. Bei den Grünen gilt wie in Sachsen: Je höher die Bildung, desto mehr Menschen wählen sie.
Anteil der Nichtwähler sinkt deutlich
In Brandenburg und Sachsen stieg die Wahlbeteiligung an. Hatten 2014 in beiden Bundesländern noch weniger als 50 Prozent der Wahlberechtigten abgestimmt, waren es nun jeweils etwa zwei Drittel.
In Sachen stieg die Beteiligung um 17,5 Prozentpunkte auf 66,6 Prozent, in Brandenburg auf 63,1 Prozent - ein Plus von 15,2 Prozentpunkten.
2019-09-02 10:15:00Z
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