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FPÖ bei der Österreich-Wahl: Dr. Krawall und Hr. Leise - SPIEGEL ONLINE

FPÖ bei der Österreich-Wahl: Dr. Krawall und Hr. Leise - SPIEGEL ONLINE

Die skandalgebeutelte FPÖ kämpft in Österreich mit einer Doppelspitze um den Wiedereinzug in die Regierung. Herbert Kickl und Norbert Hofer setzen dabei auf Angriff - der eine laut, der andere leise.

Herbert Kickl und Norbert Hofer (v.l.) wollen zurück an die Macht
Christian Bruna/epa-efe/rex

Herbert Kickl und Norbert Hofer (v.l.) wollen zurück an die Macht

Wenn Herbert Kickl erst einmal warmgelaufen ist, hält ihn so leicht keiner mehr auf. Der Mann ist Triathlet. Das hilft, auch in der Politik. Vor allem, wenn Wahlkampf ist. Im Linzer Stadtbräu "Josef" tönt Kickl, stellvertretender Vorsitzender der Freiheitlichen Partei Österreichs (FPÖ): "Am Sonntag wackelt die Hofburg."

Sobald die Ergebnisse der Parlamentswahl feststünden, werde es "eine Krisensitzung beim Bundespräsidenten geben, da brennt die ganze Nacht das Licht, wurscht, was die Greta Thunberg dazu sagt, und dann geht's für uns natürlich zurück in die Regierung und selbstverständlich auch ins Innenministerium."

Kickl war österreichischer Innenminister, bis im Mai das Ibiza-Video auftauchte, das FPÖ-Parteichef Heinz-Christian Strache und Fraktionschef Johann Gudenus ihre Posten kostete. In einer seiner letzten Amtshandlungen entließ Bundeskanzler Sebastian Kurz von der konservativen ÖVP daraufhin auch Kickl, der ihm als rabiater oberster Dienstherr der Sicherheitsorgane ohnehin suspekt geworden war.

"Sobald ich wieder im Innenministerium sitze, ist Schluss mit Spielereien"

Am Sonntag nun, am Tag der durch die Ibiza-Affäre ausgelösten Neuwahlen, will Kickl einen zweiten Anlauf nehmen. Nur mit den Freiheitlichen - "ohne FPÖ ist Sebastian Kurz wie Popeye ohne Spinat" - könne die ÖVP wieder in Ruhe regieren, glaubt er.

"Sobald ich wieder im Innenministerium sitze, ist dann Schluß mit parteipolitischen Spielereien", droht Kickl in Linz. Dass seine Rückkehr ins Kabinett vom alten und mutmaßlich neuen Bundeskanzler ausgeschlossen worden sei, habe wenig zu bedeuten: "Kurz ist sehr beweglich, situationselastisch, du könntest ein Stretchingprogramm nach ihm benennen."

Die Zuhörer im randvollen Brauhaus, ein Krügerl Freibier in der Hand, Österreich-Fähnchen griffbereit, finden das zum Brüllen. "Für die einen bin ich bis heute der Innenminister der Herzen, das sind die, die für ihre Heimat eintreten; für die anderen war ich der Innenminister der Schmerzen, das sind jene, die auf ihre Heimat eintreten", ruft Kickl seinen Anhängern zu. Als "patriotisches Doppelspiel" verkauft er die Tatsache, dass nicht er die FPÖ anführt, sondern der eben erst in Graz zum Parteichef bestimmte Norbert Hofer.

Nach außen hin gibt sich die Partei unverändert geeint

Der zumeist lächelnde, sauber seitengescheitelte Hofer war 2016 bei der Wahl zum Staatsoberhaupt nur äußerst knapp seinem Rivalen Alexander Van der Bellen von den Grünen unterlegen. Hofer gilt als das freundliche Gesicht der zuwanderungsfeindlichen FPÖ, als der gutherzige Dr. Jekyll, dem der furchteinflössende Mr. Hyde alias Herbert Kickl gegenübersteht. Zu wem die Parteibasis tendiert, war beim Krönungsparteitag in Graz unschwer zu erkennen: höflich fiel der Applaus für Hofer aus, tosend für Kickl.

Aber kann so eine Doppelspitze funktionieren, nachdem 14 Jahre lang Heinz-Christian Strache quasi unangefochten an der Spitze der Rechtspopulisten den Ton angab - und die Partei von weniger als fünf auf 26 Prozent der Stimmen brachte? Letzte Umfragen sehen die FPÖ bei immerhin noch 20 Prozent. Trotz der Ibiza-Affäre, trotz der Anfang der Woche publik gewordenen Vorwürfe, Strache habe über Jahre hinweg erhebliche Summen für private Ausgaben über die Partei abgerechnet. Der zurückgetretene FPÖ-Chef bestreitet das.

Nach außen hin gibt sich die Partei unverändert geeint. Von einer Spaltung wie nach dem außerordentlichen Parteitag 2002 in Knittelfeld, als Jörg Haider und die Seinen der FPÖ den Rücken kehrten, ist bis auf Weiteres nicht die Rede. Die undankbarste Rolle bei der Schadensbewältigung hat Norbert Hofer, der anders als der polternde Wahlkämpfer Kickl in Fernsehstudios und Interviews erklären muss, warum die FPÖ trotz aller Skandale für die angestrebte Wiederauflage der Koalition mit der ÖVP infrage kommen soll.

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Die Rolle des Biedermanns, der mit Drogengerüchten, nächtlichen Gelagen mit "scharfen" Oligarchennichten und mit Spesenbetrug nichts am Hut hat, erfüllt Hofer ohne erkennbare Anstrengung. Wer einmal in seinem Haus im burgenländischen Pinkafeld zu Gast war, glaubt ihm die an den Tag gelegte Bescheidenheit.

Kickl droht politischen Gegnern

Weniger glaubwürdig ist die Behauptung Hofers, er, langjähriger Parteivize und maßgeblicher Co-Autor des Parteiprogramms, habe über die Umtriebe auf der FPÖ-Führungsetage nicht Bescheid gewusst. Die Gefahren, die Sebastian Kurz einginge, würde er sich am Ende wieder für die Freiheitlichen als Koalitionspartner entscheiden, sind erheblich. Der Ex-Kanzler schließt diese Option bisher nicht aus.

Parteien bei der Nationalratswahl 2019
Die Sozialdemokratische Partei Österreichs (SPÖ) bestimmte zusammen mit der ÖVP große Teile der österreichischen Nachkriegsgeschichte. Die Sozialdemokraten stellten acht Kanzler, 1970 bis 1983 sogar in einer Alleinregierung unter Bruno Kreisky. Die Wurzeln der traditionellen Arbeiterpartei reichen in die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts zurück. Besonders unter Kreisky machte sie einen Schritt hin zur Mitte und zur linken Volkspartei. In der jüngeren Geschichte verlor sie deutlich an Stimmenanteilen: Seit der Nationalratswahl 2008 liegt sie unter 30 Prozent. 2013 gab es mit 26,8 Prozent das schlechteste Ergebnis seit 1945. Die Wahl 2017 verlief mit 26,9 Prozent nur unwesentlich besser. Derzeit hat die SPÖ etwa 180.000 Mitglieder. 2018 wurde erstmals eine Frau an die Spitze der Partei gewählt: Pamela Rendi-Wagner.
Die Österreichische Volkspartei (ÖVP) ist die zweite der beiden traditionellen Großparteien. Sie hat etwa eine halbe Million Mitglieder. Viele Jahre regierten die Konservativen in einer Großen Koalition mit der SPÖ. Seit 1945 kamen sechs Kanzler aus der ÖVP. Ihr Bündnis mit der rechtspopulistischen FPÖ im Jahr 2000 war besonders umstritten. 2013 fuhr sie mit 24 Prozent ihr schlechtestes Wahlergebnis bei Nationalratswahlen ein. Nach dem für sie aber recht erfolgreichen Wahlkampf 2017 ging sie wieder ein umstrittenes Bündnis mit den Freiheitlichen ein und stellte mit Sebastian Kurz den Kanzler, der die Migrationspolitik verschärfte und auf die innenpolitischen Fehltritte seines Koalitionspartners eher zurückhaltend reagierte. In Folge der Ibiza-Affäre im Mai 2019 verlor er durch ein Misstrauensvotum sein Amt.
Die Freiheitliche Partei Österreichs ist seit Jahrzehnten eine der stärksten Rechtsparteien Europas. Unter dem Kärntner Landeshauptmann Jörg Haider erlebte sie seit den Achtzigern zunächst eine Glanzzeit; Triumph und europaweiter Skandal war 2000 die Regierungsbeteiligung im Kabinett Wolfgang Schüssel (ÖVP); Österreich wurde mit Sanktionen belegt. Später spaltete sich die Haider-Fraktion aber im Streit als Bündnis Zukunft Österreich (BZÖ) von der Mutterpartei ab; nach Haiders Tod 2008 verlor das Bündnis an Bedeutung. Die FPÖ verzeichnete seit 2006 wieder kontinuierliche Stimmenzuwächse. 2016 unterlag ihr Kandidat Norbert Hofer nur knapp im Präsidentschaftswahlkampf. Ende 2017 (26 Prozent bei der Nationalratswahl) trat sie in eine Koalition mit der ÖVP ein. Schon mehrfach erschütterten Korruptionsskandale die Partei. FPÖ-Mitglieder sahen sich zudem wiederholt mit ihrer rechtsextremen Vergangenheit konfrontiert. So auch Heinz-Christian Strache, der seit 2005 die FPÖ geführt hatte. Er stolperte im Mai 2019 dann aber über die Ibiza-Affäre und trat als Parteivorsitzender und Vizekanzler zurück. Derzeit wird die Partei von Hofer geführt.
Die Grünen
Die Grünen in Österreich haben auf Bundesebene bislang noch keine großen Erfolge feiern können, obwohl sie sogar in einigen Bundesländern an der Regierung beteiligt sind. Seit ihrer Gründung im Jahr 1986 waren sie bis 2017 im österreichischen Parlament vertreten. Bei der letzten Nationalratswahl scheiterten sie aber mit nur 3,8 Prozent an der 4-Prozent-Hürde. Ihre Kernthemen sind vor allem Umwelt- und Klimaschutz. Derzeit haben sie mehr als 7000 Mitglieder. Der derzeitige Bundespräsident Alexander Van der Bellen kommt von den Grünen, lässt die Mitgliedschaft aber seit seiner Kandidatur 2016 ruhen.
Liste Jetzt
Die frühere Liste Peter Pilz hat ihr Namensgeber gegründet, nachdem er im Sommer 2017 eine Kampfabstimmung um seinen Listenplatz bei den Grünen verloren hatte. Inzwischen nennt sie sich Liste Jetzt. Pilz positioniert die Liste weiter in der Mitte als die linkeren Grünen und will auch bei Nicht- und Protestwählern punkten. So forderte Pilz etwa ein Kopftuchverbot im öffentlichen Dienst. 2017 übersprang die Liste gleich die 4-Prozent-Hürde und errang acht Mandate.
Die Neos haben sich erst 2012 gegründet und wollen vor allem jüngere Wähler ansprechen. Dafür spricht auch ihre Parteifarbe, nämlich pink. 2014 sind sie mit den österreichischen Liberalen fusioniert. Die Neos sind explizit EU-freundlich und legen ihre Schwerpunkte auf die Themen Bildung und Partizipation. Ihre Ausrichtung ähnelt der deutschen FDP, sie sind jedoch weniger wirtschaftsliberal. 2017 errangen sie 5,3 Prozent und waren mit zehn Mandaten im Nationalrat vertreten.

"Sollen Sie doch wieder aufmarschieren, die Demonstranten", spottet Herbert Kickl, "dann können's endlich wieder ihre Protesttaferl exhumieren, die sie vergraben haben in Wien, können ihre Strumpfmasken ausführen und die Hauswände wieder beschmieren, die linken Vögel." Im Kampf mit dem politischen Gegner sei innerhalb der Doppelspitze weiterhin er für klare Ansagen zuständig.

"Die, die Du nicht niederclinchst", sagt Kickl auf dem Parteitag in Graz zu Hofer, "die kriegen von mir eine Gerade oder einen rechten Haken."

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2019-09-28 12:22:00Z
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