Die skandalgebeutelte FPÖ kämpft in Österreich mit einer Doppelspitze um den Wiedereinzug in die Regierung. Herbert Kickl und Norbert Hofer setzen dabei auf Angriff - der eine laut, der andere leise.
Wenn Herbert Kickl erst einmal warmgelaufen ist, hält ihn so leicht keiner mehr auf. Der Mann ist Triathlet. Das hilft, auch in der Politik. Vor allem, wenn Wahlkampf ist. Im Linzer Stadtbräu "Josef" tönt Kickl, stellvertretender Vorsitzender der Freiheitlichen Partei Österreichs (FPÖ): "Am Sonntag wackelt die Hofburg."
Sobald die Ergebnisse der Parlamentswahl feststünden, werde es "eine Krisensitzung beim Bundespräsidenten geben, da brennt die ganze Nacht das Licht, wurscht, was die Greta Thunberg dazu sagt, und dann geht's für uns natürlich zurück in die Regierung und selbstverständlich auch ins Innenministerium."
Kickl war österreichischer Innenminister, bis im Mai das Ibiza-Video auftauchte, das FPÖ-Parteichef Heinz-Christian Strache und Fraktionschef Johann Gudenus ihre Posten kostete. In einer seiner letzten Amtshandlungen entließ Bundeskanzler Sebastian Kurz von der konservativen ÖVP daraufhin auch Kickl, der ihm als rabiater oberster Dienstherr der Sicherheitsorgane ohnehin suspekt geworden war.
"Sobald ich wieder im Innenministerium sitze, ist Schluss mit Spielereien"
Am Sonntag nun, am Tag der durch die Ibiza-Affäre ausgelösten Neuwahlen, will Kickl einen zweiten Anlauf nehmen. Nur mit den Freiheitlichen - "ohne FPÖ ist Sebastian Kurz wie Popeye ohne Spinat" - könne die ÖVP wieder in Ruhe regieren, glaubt er.
"Sobald ich wieder im Innenministerium sitze, ist dann Schluß mit parteipolitischen Spielereien", droht Kickl in Linz. Dass seine Rückkehr ins Kabinett vom alten und mutmaßlich neuen Bundeskanzler ausgeschlossen worden sei, habe wenig zu bedeuten: "Kurz ist sehr beweglich, situationselastisch, du könntest ein Stretchingprogramm nach ihm benennen."
Die Zuhörer im randvollen Brauhaus, ein Krügerl Freibier in der Hand, Österreich-Fähnchen griffbereit, finden das zum Brüllen. "Für die einen bin ich bis heute der Innenminister der Herzen, das sind die, die für ihre Heimat eintreten; für die anderen war ich der Innenminister der Schmerzen, das sind jene, die auf ihre Heimat eintreten", ruft Kickl seinen Anhängern zu. Als "patriotisches Doppelspiel" verkauft er die Tatsache, dass nicht er die FPÖ anführt, sondern der eben erst in Graz zum Parteichef bestimmte Norbert Hofer.
Nach außen hin gibt sich die Partei unverändert geeint
Der zumeist lächelnde, sauber seitengescheitelte Hofer war 2016 bei der Wahl zum Staatsoberhaupt nur äußerst knapp seinem Rivalen Alexander Van der Bellen von den Grünen unterlegen. Hofer gilt als das freundliche Gesicht der zuwanderungsfeindlichen FPÖ, als der gutherzige Dr. Jekyll, dem der furchteinflössende Mr. Hyde alias Herbert Kickl gegenübersteht. Zu wem die Parteibasis tendiert, war beim Krönungsparteitag in Graz unschwer zu erkennen: höflich fiel der Applaus für Hofer aus, tosend für Kickl.
Aber kann so eine Doppelspitze funktionieren, nachdem 14 Jahre lang Heinz-Christian Strache quasi unangefochten an der Spitze der Rechtspopulisten den Ton angab - und die Partei von weniger als fünf auf 26 Prozent der Stimmen brachte? Letzte Umfragen sehen die FPÖ bei immerhin noch 20 Prozent. Trotz der Ibiza-Affäre, trotz der Anfang der Woche publik gewordenen Vorwürfe, Strache habe über Jahre hinweg erhebliche Summen für private Ausgaben über die Partei abgerechnet. Der zurückgetretene FPÖ-Chef bestreitet das.
Nach außen hin gibt sich die Partei unverändert geeint. Von einer Spaltung wie nach dem außerordentlichen Parteitag 2002 in Knittelfeld, als Jörg Haider und die Seinen der FPÖ den Rücken kehrten, ist bis auf Weiteres nicht die Rede. Die undankbarste Rolle bei der Schadensbewältigung hat Norbert Hofer, der anders als der polternde Wahlkämpfer Kickl in Fernsehstudios und Interviews erklären muss, warum die FPÖ trotz aller Skandale für die angestrebte Wiederauflage der Koalition mit der ÖVP infrage kommen soll.
Die Rolle des Biedermanns, der mit Drogengerüchten, nächtlichen Gelagen mit "scharfen" Oligarchennichten und mit Spesenbetrug nichts am Hut hat, erfüllt Hofer ohne erkennbare Anstrengung. Wer einmal in seinem Haus im burgenländischen Pinkafeld zu Gast war, glaubt ihm die an den Tag gelegte Bescheidenheit.
Kickl droht politischen Gegnern
Weniger glaubwürdig ist die Behauptung Hofers, er, langjähriger Parteivize und maßgeblicher Co-Autor des Parteiprogramms, habe über die Umtriebe auf der FPÖ-Führungsetage nicht Bescheid gewusst. Die Gefahren, die Sebastian Kurz einginge, würde er sich am Ende wieder für die Freiheitlichen als Koalitionspartner entscheiden, sind erheblich. Der Ex-Kanzler schließt diese Option bisher nicht aus.
"Sollen Sie doch wieder aufmarschieren, die Demonstranten", spottet Herbert Kickl, "dann können's endlich wieder ihre Protesttaferl exhumieren, die sie vergraben haben in Wien, können ihre Strumpfmasken ausführen und die Hauswände wieder beschmieren, die linken Vögel." Im Kampf mit dem politischen Gegner sei innerhalb der Doppelspitze weiterhin er für klare Ansagen zuständig.
"Die, die Du nicht niederclinchst", sagt Kickl auf dem Parteitag in Graz zu Hofer, "die kriegen von mir eine Gerade oder einen rechten Haken."
2019-09-28 12:22:00Z
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