• Annegret Kramp-Karrenbauer zieht sich von der CDU-Spitze zurück. Am Montag hatte sie überraschend angekündigt, auf die Kanzlerkandidatur ihrer Partei zu verzichten und das Amt als Parteivorsitzende aufzugeben. Grund sei der Streit um den Umgang mit AfD und der Linken in ihrer Partei.
  • Einen Termin für ihren Rücktritt als CDU-Chefin nannte Kramp-Karrenbauer nicht. Sie werde auf absehbare Zeit Parteivorsitzende bleiben und so den Prozess des Übergangs steuern.
  • Mit diesem Zeitplan stößt sie in der Union auf Kritik. CSU-Chef Markus Söder warnte die Schwesterpartei vor einer schleppenden Kandidatensuche.
  • Als aussichtsreichste Kandidaten für die Nachfolge von Kramp-Karrenbauer gelten derzeit Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Armin Laschet, Bundesgesundheitsminister Jens Spahn und der frühere Unionsfraktionschef Friedrich Merz. Allerdings haben sie sich – genau wie andere dafür denkbare Unionspolitiker – noch nicht erklärt.
  • Nach Angaben von Kramp-Karrenbauer und aus den Reihen der SPD soll die große Koalition unter Bundeskanzlerin Angela Merkel bis zum Ende der Legislaturperiode im Herbst 2021 weiterregieren.
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Bis "in den Herbst, in den Winter hinein" soll nach Aussage von Noch-CDU-Chefin Kramp-Karrenbauer die Suche nach einem Kanzlerkandidaten der Union und damit nach ihrem Nachfolger dauern. Viel zu lang, echauffiert sich die CSU. Dieser Zeitplan sei eine "idealisierte Vorstellung" und als solche "abwegig" und "nicht sinnvoll" sagte etwa Landesgruppenchef Alexander Dobrindt. Das Vorhaben, erst im Sommer den Kanzlerkandidaten zu benennen und beim Parteitag im Dezember den neuen Parteichef zu wählen, sei "kein Zeitplan, der eine Chance auf Umsetzung hat".

Dobrindt will seine Äußerungen allein als Ausdruck "großer Sorge" verstanden wissen. Der Landesgruppenchef betonte, man wolle keinen neuen Streit mit der Schwesterpartei. "Die CSU will positiv in die CDU hineinwirken", beteuerte er. Je länger die Findungsphase bei der CDU dauere, "desto länger wird man vom politischen Wettbewerber mit Kommentaren belegt", warnte er. Hier sehe er "ein gewaltiges Potenzial an Häme".

Alexander Dobrindt (h.l.) an der Seite seines Parteichefs Markus Söder
Alexander Dobrindt (h.l.) an der Seite seines Parteichefs Markus Söder   Bild: Matthias Balk/dpa

Der CSU-Politiker befeuerte auch die Spekulationen um eine Kanzlerkandidatur seines Parteichefs, des bayerischen Ministerpräsidenten Markus Söder. Dieser hatte zwar auch am Montagabend im Bayerischen Fernsehen abermals betont, Bayern sei seine Heimat und sein Anker. Und Kramp-Karrenbauer hatte betont, die bisherige Trennung von Parteivorsitz und Kanzleramt habe sich nicht bewährt – womit also nur ein CDU-Politiker der Kandidat werden könnte. Doch Dobrindt sagte jetzt: "Es gibt keine fixe Regel, die sagt, es müsse immer in einer Hand sein". Auch andere Führungsmodelle hätten eine Chance, wenn der politische Wille dafür da ist.

Nach dem Präsidium und dem Vorstand tagt an diesem Dienstag nun die Fraktion der Union. Auch die Bundestagsabgeordneten von CDU und CSU wurden von der Entscheidung von Annegret Kramp-Karrenbauer überrascht, auch sie haben ihre Begründung gehört, wonach es in der Partei "ein ungeklärtes Verhältnis mit AfD und Linken" gebe.

Dabei hatte die CDU ihre Distanz zu den politischen Rändern während ihres Bundesparteitags im Dezember 2018 ausdrücklich festgeschrieben. In dem sogenannten Unvereinbarkeitsbeschluss heißt es dazu: "Die CDU Deutschlands lehnt Koalitionen und ähnliche Formen der Zusammenarbeit sowohl mit der Linkspartei als auch mit der Alternative für Deutschland ab."

Bild: Gregor Fischer/dpa
Und dabei soll es laut der Spitze der Unionsfraktion auch bleiben. "Es gibt kein Wackeln nach links wie rechts", sagte der Parlamentarische Geschäftsführer der Unionsfraktion im Bundestag, Michael Grosse-Brömer (CDU). Laut des CDU-Politikers würde man AfD und Linkspartei auch nicht gleichsetzen, sondern habe jeweils Gründe, eine Zusammenarbeit abzulehnen. So gebe es in der Linkspartei immer noch Gruppierungen, die vom Verfassungsschutz beobachtet würden.

"Deutschland tut weder sozialistischer Mief gut noch Rechtsradikale wie der Thüringer AfD-Politiker Björn Höcke", sagte Grosse-Brömer.

Damit widerspricht der Fraktionsgeschäftsführer auch dem schleswig-holsteinischen Ministerpräsidenten Daniel Günther (CDU). Dieser hatte die Linkspartei nach Teilnehmerangaben am Montag im CDU-Vorstand als nicht so schlimm wie die AfD bezeichnet. CDU-Generalsekretär Paul Ziemiak hatte ihm daraufhin heftig widersprochen.

Wie hält es die CDU mit der AfD? Über diese Frage wurde in den Gremien der Partei am Montag lange und nach Angaben von Teilnehmern auch heftig debattiert.

Und wie halten es die Deutschen mit der AfD und einer möglichen Regierungsbeteiligung der Rechtspopulisten? Dazu gibt es eine neue Umfrage des Meinungsforschungsinstituts YouGov im Auftrag der Deutschen Presse-Agentur: So rechnet fast jeder zweite der Befragten (48 Prozent) damit, dass die Partei in den nächsten zehn Jahren an einer Landes- oder sogar Bundesregierung beteiligt wird. Nur 29 Prozent der Befragten sehen die AfD bis 2030 nicht in Regierungsverantwortung.

Laut der Umfrage lehnt eine klare Mehrheit von 59 Prozent eine Regierungsbeteiligung der rechten Partei grundsätzlich ab. Ein Viertel der Befragten (26 Prozent) findet dagegen eine Beteiligung der AfD an einer Landesregierung in Ordnung. 19 Prozent hätten auch mit einer Beteiligung der AfD an einer Bundesregierung kein Problem.

 
Einer, der die bislang strenge Abgrenzung der etablierten Parteien zur AfD für unangebracht halten, ist der frühere Ministerpräsident von Sachsen-Anhalt, Wolfgang Böhmer. Wenn auch seine CDU die Rechtspopulisten weiterhin ignoriere, dann würden sie in eine Art Opferrolle hinein gedrängt. "Ich halte das für methodisch höchst fragwürdig. Man darf nicht den Eindruck erwecken, die demokratischen Parteien seien beleidigt, weil sie nicht gewählt wurden", sagte der 84-Jährige den Zeitungen des Redaktionsnetzwerks Deutschland.

Böhmer hält die bisherige Linie der Bundespartei deshalb für falsch und verweist auf den Wählerwillen, den man nicht ignorieren dürfe. "Die AfD ist von einer erstaunlich großen Zahl von Wählern gewählt worden", sagte er. "Und im Grundgesetz steht: 'Alle Macht geht vom Volke aus'".

In der CDU führen die möglichen Kanzlerkandidaten offenbar erste Gespräche miteinander. Der Focus hatte berichtet, Friedrich Merz sei in Kontakt mit Jens Spahn und Armin Laschet.

Natürlich werde sich der frühere Unionsfraktionschef "mit allen Beteiligten abstimmen und sich zu gegebener Zeit äußern", sagte Merz' Sprecher Armin Peter der Nachrichtenagentur AFP. Wann es eine Stellungnahme gibt, sagte er nicht. "Bis dahin möchten wir uns nicht an Spekulationen beteiligen."

Merz hatte am Montag auf den angekündigten Rückzug von CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer mit der Ankündigung reagiert, er gebe ihr "jede Unterstützung dabei, den Prozess ihrer Nachfolge und der Kanzlerkandidatur als gewählte Parteivorsitzende von vorn zu führen".

Die AfD hat eine Strafanzeige gegen die Bundeskanzlerin gestellt. Angela Merkel habe ihr Amt missbraucht, als sie sich während ihrer Reise in Afrika zu den Ereignissen in Thüringen geäußert habe. Der Parteivorstand um Jörg Meuthen und Tino Chrupalla hat deshalb nach eigenen Angaben beschlossen, eine rechtliche Abmahnung mit Unterlassungserklärung gegen die Kanzlerin wegen Amtsmissbrauchs einzureichen. Zeitgleich stellte die AfD Strafanzeige nach Paragraph 106 des Strafgesetzbuches gegen Merkel wegen Nötigung des thüringischen Ministerpräsidenten Thomas Kemmerich.

Tino Chrupalla (l. ) und Jörg Meuthen
Tino Chrupalla (l. ) und Jörg Meuthen   Bild: Sina Schuldt/dpa

Wörtlich hatte Merkel während einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Südafrikas Präsident Cyril Ramaphosa gesagt: "Die Wahl dieses Ministerpräsidenten war ein einzigartiger Vorgang, der mit einer Grundüberzeugung für die CDU und auch für mich gebrochen hat, dass nämlich keine Mehrheiten mit Hilfe der AfD gewonnen werden sollen. Da dies in der Konstellation, in der im dritten Wahlgang gewählt wurde, absehbar war, muss man sagen, dass dieser Vorgang unverzeihlich ist und deshalb das Ergebnis rückgängig gemacht werden muss. Zumindest gilt für die CDU, dass sich die CDU nicht an einer Regierung unter dem gewählten Ministerpräsidenten beteiligen darf."

Laut der AfD-Mitteilung sieht AfD-Chef Meuthen darin einen "klaren Fall von Amtsmissbrauch mit Verletzung der Chancengleichheit der Parteien". Schließlich habe Merkel "keine relevante Funktion mehr in der CDU" und war in Südafrika "erkennbar auch nicht als CDU-Mitglied sondern als deutsche Regierungschefin" unterwegs. Meuthens Co-Vorsitzender Chrupalla wird in dem Statement mit den Worten zitiert: "Es ist nicht das erste Mal, dass sich die Kanzlerin nicht an Recht und Gesetz hält."

Der Rückzug von Kramp-Karrenbauer ist sicherlich auch eine Reaktion auf die Vorgänge in Thüringen, wo sich der FDP-Politiker Thomas Kemmerich mit dem Stimmen von FDP, CDU und der AfD zum Ministerpräsidenten hat wählen lassen. Inzwischen ist er von seinem Amt zurückgetreten, der bisherige linke Regierungschef Bodo Ramelow will sich erneut zur Wahl stellen.

Die CDU-Landtagsfraktion will sich nun bei der Ministerpräsidentenwahl der Stimmen enthalten – sieht sich durch die Parteispitze in Berlin aber nicht ausreichend unterstützt. Raymond Walk, Generalsekretär der thüringischen CDU, will deshalb den Unvereinbarkeitsbeschluss des vergangenen Bundesparteitags erneut diskutieren. Im Dezember 2018 hatten die Delegierten beschlossen, jedwede Zusammenarbeit sowohl mit der AfD als auch mit der Linkspartei auszuschließen.

Auch die SPD sieht hier Klärungsbedarf. Bundesfinanzminister Olaf Scholz etwa forderte, die CDU müsse von ihrem Unvereinbarkeitsbeschluss gegenüber der Linkspartei abzurücken. "Die Linke ist eine Partei, die sich in die Demokratie hineinbewegt hat", sagte der SPD-Politiker den Zeitungen der Funke Mediengruppe. Man müsse zwar weiter wachsam bleiben, ob und wie die Linke klare Position zur DDR-Vergangenheit beziehe. Zur AfD gebe es aber einen entscheidenden Unterschied. "Die AfD hingegen entfernt sich von dem demokratischen Konsens unserer Republik. Das ist das Gefährliche. Deshalb kann man die beiden Parteien nicht über einen Kamm scheren."

Viele – auch in der CDU – sehen Kramp-Karrenbauer als Opfer der sogenannten WerteUnion, einer Strömung innerhalb der Partei, die sich als rechtskonservative Opposition zum bisherigen Kurs der Parteispitze und von Bundeskanzlerin Angela Merkel versteht. Die Gruppe, zu der sich inzwischen rund 4.000 Mitglieder zählen, hat dann auch – im Gegensatz zur CDU – eine Zusammenarbeit mit der AfD nicht grundsätzlich ausgeschlossen.

Das Verhältnis zur WerteUnion war auch Thema in der stundenlangen Vorstandsitzung der CDU, viele aus der Parteispitze äußerten sich kritisch. Auch der Vorsitzende der Unionsbundestagsfraktion, Ralph Brinkhaus, soll nach Angaben von Teilnehmenden gesagt haben, die Haltung etlicher Mitglieder der konservativen Gruppierung passe nicht zu den CDU-Werten. Der frühere CDU-Generalsekretär Ruprecht Polenz hatte sich bereits zuvor dafür ausgesprochen, eine CDU-Mitgliedschaft und die Zugehörigkeit zur WerteUnion für nicht vereinbar zu erklären. Die WerteUnion versuche eine Partei in der Partei zu werden, wird er zitiert.

Alexander Mitsch
Alexander Mitsch   Bild: Uli Deck/dpa

Ihr Vorsitzender Alexander Mitsch allerdings sieht seine Organisation als unentbehrlich für die CDU an. "Ohne uns wird die Partei zukünftig keine Wahlen gewinnen können", sagte er dem SWR. Bei den vergangenen dreizehn Wahlen habe die Union Stimmen verloren, weil man die WerteUnion vernachlässigt habe. "Wir wissen, dass wir als Konservative und Wirtschaftsliberale, die sich in der WerteUnion organisiert haben, wichtig für die Partei sind."

Der SPD-Vizevorsitzende Kevin Kühnert gibt sich gegenüber dem Koalitionspartner verständnisvoll und will die CDU in Ruhe über einen Kanzlerkandidaten und damit auch über einen neuen Parteivorsitzenden entscheiden lassen. "Wenn große Fragen zu entscheiden sind, dann sollte man sich die notwendige Zeit dafür nehmen", sagte er dem ZDF-Morgenmagazin. Niemand solle versuchen, aus der Situation einen parteitaktischen Vorteil zu ziehen und "die ganze Zeit zu schubsen".

Kühnert sieht die CDU-Spitze vor "massiven Gesprächen nach innen". Man solle nicht leichtfertig entscheiden. "Die haben die Frage zu beantworten, ob sie einen Grundkonsens noch durchhalten können, der über Jahrzehnte für diese Partei gegolten hat", sagte er. Das Interesse der "demokratischen Mehrheit" müsse sein, dass "die CDU im Konsens der demokratischen Parteien drinbleibt".

Bild: Kay Nietfeld/dpa
Kühnert warnte die CDU auch vor einem Rechtsruck. "Eine CDU, die sich auch auf Bundesebene öffnen würde für Kooperationen mit der AfD oder die nicht mehr den Anspruch vertritt, als gesamte Organisation klar zu sagen, zum rechten Rand gibt es – auch aus historischer Verantwortung – ohne Wenn und Aber einen Strich, wäre eine andere Partei", sagte er. Mit der könnte es nicht "ohne Weiteres" eine Zusammenarbeit geben.

Die CDU, so fordert es der SPD-Vize, soll ihre Beschlüsse gegen Kooperationen mit der AfD, die sie "bisher immer wieder in ihrem Bundespräsidium gefasst hat", auch in ihren Landesverbänden fassen. "Anders wirkt das nicht". Schließlich gebe es aus der Bundesspitze seit Monaten Beteuerungen zur Abgrenzung nach rechts. "Aber offensichtlich interessiert es an verschiedenen Stellen vor Ort niemanden".

Am Montag sorgte Annegret Kramp-Karrenbauer für Aufsehen: Während der regulären Sitzung des CDU-Präsidiums erklärte die Parteivorsitzende ihren Verzicht auf die Kanzlerkandidatur und kündigte an, nach einer Entscheidung darüber auch die Parteiführung abzugeben.

CDU-Generalsekretär Paul Ziemiak, CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer und ihre Amtsvorgängerin, Bundeskanzlerin Angela Merkel (v.l.n.r.)
CDU-Generalsekretär Paul Ziemiak, CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer und ihre Amtsvorgängerin, Bundeskanzlerin Angela Merkel (v.l.n.r.)   Bild: Gregor Fischer/dpa

Schnell will sie die Kandidatenfrage aber nicht entscheiden. "Wir haben gesagt, wir wollen diesen Prozess steuern bis in den Herbst, in den Winter hinein", sagte sie am Abend in der ARD – und provozierte damit neuen Streit mit eigenen Parteimitgliedern und mit der Schwesterpartei. CSU-Chef Markus Söder und der hessische CDU-Ministerpräsident Volker Bouffier hatten eine weitaus schnellere Klärung gefordert.

Damit beginnen wir dieses Newsblog über die neusten Entwicklungen in der CDU-Krise.