Nach Ansicht von Union-Fraktionsvize Carsten Linnemann sollte die Bundesregierung nicht an der Diskussion über die Grundrente scheitern. „Ich würde die große Koalition an dieser Frage nicht platzen lassen“, sagte der CDU-Politiker am Montag im ZDF-„Morgenmagazin“. Er würde seine Überzeugung aber nicht über Bord werfen, aus Rücksicht vor einer Mitgliederentscheidung bei der SPD.
Wegen noch offener Fragen bei der Grundrente war das für Montagabend geplante Spitzentreffen der Koalition auf den 10. November verschoben worden. Es gebe noch offene Punkte, die im Laufe dieser Woche sorgfältig geklärt werden sollten, teilte die CDU mit. Von der SPD hieß es, die Verschiebung sei von der Union ausgegangen. Die Arbeitsgruppe zu dem Thema habe gute Vorarbeit geleistet.
„Viele werden trotz Grundrente in Altersarmut fallen“
Die Koalition verhandelt weiter über die milliardenschwere Grundrente. Sie soll kommen, darüber sind sich SPD und Union einig. Prof. Marcel Fratzscher, Präsident des DIW, zeigt sich im WELT-Interview skeptisch.
Quelle: WELT
„Wir müssen das endlich mal abräumen. Ich glaube, die Menschen haben keinen Bock mehr, dass wir hier lange diskutieren“, sagte Linnemann. Er plädierte für eine Überarbeitung des Koalitionsvertrages, damit es ein „neues Aufbruchssignal“ für Deutschland gebe. So könne es nicht weitergehen.
Einigkeit besteht zwischen Union und SPD darüber, dass alle, die 35 Jahre an Beitragszeiten aufweisen, eine Rente zehn Prozent oberhalb der Grundsicherung bekommen sollen. Das war auch im Koalitionsvertrag vereinbart worden. Allerdings streiten Union und SPD darüber, wer genau den Rentenaufschlag erhalten soll. Die Union pocht auf die im Koalitionsvertrag festgehaltene Prüfung der tatsächlichen Bedürftigkeit, die SPD lehnt dies ab.
Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) äußerte sich zuversichtlich, dass Union und SPD zu einer Verständigung kommen können. „Ich sehe die Chance für eine Einigung“, sagte Scholz der „Passauer Neuen Presse“. Alle seien bemüht, ein Ergebnis zu erzielen, „das nicht nur aus der Sicht der Parteien gut ist, die da am Tisch sitzen“, ergänzte der stellvertretende SPD-Vorsitzende.
Unionsfraktionschef Ralph Brinkhaus schloss eine Grundrente ohne Bedürftigkeitsprüfung aus. „Das wird mit uns nicht klappen“, sagte der CDU-Politiker im WELT-Interview.
Der CSU-Vorsitzende Markus Söder rief alle Partner zu Kompromissen und Zugeständnissen auf. „Wir wollen ein vernünftiges Ergebnis für eine Grundrente haben“, sagte Söder am Montag vor einer CSU-Vorstandssitzung in München. Die Arbeitsgruppe zur Grundrente habe eine „sehr, sehr gute Vorarbeit geleistet“, die Frage der Bedürftigkeitsprüfung wäre demnach „eindeutig geklärt“.
Auch bei den Summen, um die es gehe, könne man „zu Entscheidungen kommen“, so Söder. Die CSU versuche nun, Brücken zu bauen, um zu einem guten Ergebnis zu kommen.
„Wollen nicht Geld mit der Hubertus-Heil-Konfettikanone verteilen“
CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt rief die Regierungspartner zu einem Kompromiss auf. „Man kann den Eindruck haben, dass manche hier eine Sachfrage mit einer Machtfrage verbinden wollen. Sozialpolitik eignet sich aber nicht sehr gut für Machtfragen“, sagte Dobrindt am Montag nach Teilnehmerangaben in einer CSU-Vorstandssitzung in München. Aus seiner Sicht könne man bei der Grundrente im Koalitionsausschuss Entscheidungen treffen. Der CSU-Politiker mahnte zudem: „Wenn man die Koalition infrage stellt, muss man auch die Antwort geben, wie es anschließend weitergeht.“
„Wir wollen eine gerechte Grundrente, die die besser stellt, die ein Leben lang gearbeitet haben, und dabei hilft, Altersarmut zu vermeiden“, sagte Dobrindt und fügte hinzu: „Was wir nicht wollen, ist Geld mit der Hubertus-Heil-Konfettikanone zu verteilen.“
Der Chef der Jungen Union (JU), Tilman Kuban, bezeichnete eine „Grundrente ohne echte Bedürftigkeitsprüfung“ gegenüber dem Redaktionsnetzwerk Deutschland als „Einstieg ins bedingungslose Grundeinkommen“. „Weitere Sozialgeschenke zur Beruhigung der SPD darf die Unionsfraktion nicht mitmachen. Für uns ist eine Grenze erreicht“, sagte der JU-Vorsitzende.
Der Chef der Jungen Gruppe in der Unionsfraktion, Mark Hauptmann (CDU), nannte eine Grundrente ohne Bedürftigkeitsprüfung in der „Bild“ ein „Vergehen an der jungen Generation“. „Anstatt in die Zukunftsfähigkeit unseres Landes wie die Digitalisierung, eine starke Infrastruktur und Wirtschaft zu investieren, schaffen wir mit der Grundrente neue Ungerechtigkeiten“, kritisierte er.
SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil forderte ein Machtwort der CDU-Spitze. Angesichts der widersprüchlichen Äußerungen aus der CDU stelle sich die Frage, ob sich CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer und Kanzlerin Angela Merkel „endlich mal in die Debatte einmischen, sich durchsetzen, mal den Kurs der Union bestimmen“, sagte er am Montag im ZDF-„Morgenmagazin“.
Die Union müsse ihre Position innerhalb dieser Woche abklären, damit der Koalitionsausschuss wie geplant am Sonntag über die Grundrente entscheiden kann, sagte Klingbeil. Das Spitzengremium müsse dann „endlich einen Haken dranmachen bei der Grundrente“.
Klingbeil kritisierte bei der Grundrente eine „Blockade in Teilen der Union“. Innerhalb des Koalitionspartners geben es „unterschiedliche Stimmen“. In der ARD sagte Klingbeil am Sonntagabend: „Es ist auch Aufgabe der Kanzlerin und der Parteivorsitzenden, jetzt dafür zu sorgen, dass die Union sprechfähig ist bei diesem Thema.“
Der Vorsitzende der Linksfraktion, Dietmar Bartsch, kritisierte die Grundrenten-Debatte in der Koalition. „Die Koalition steht kurz davor, aus der richtigen Grundrenten-Idee eine Respektlos-Rente zu machen“, sagte Bartsch. „Wer 35 Jahre eingezahlt hat, muss einen Anspruch darauf haben, dass seine Rente deutlich oberhalb der Grundsicherung liegt. Da darf es keine Diskussion oder eine Bedürftigkeitsprüfung geben.“
Bartsch weiter: „Eine Bedürftigkeitsprüfung wäre die Einführung des Hartz-IV-Prinzips in die Grundrente.“ Auf keinen Fall dürfe sich die SPD darauf einlassen, wie von CSU-Chef Markus Söder gewollt, den Konzernen Geschenke zu machen. Söder hatte Steuererleichterungen für Unternehmen gefordert. Bartsch sagte: „Die SPD muss sich bei der Grundrente durchsetzen oder die Konsequenzen ziehen.“
Auch der Sozialverband VdK kritisierte, dass bei den aktuellen Diskussionen um die Grundrente die Bedürftigkeitsprüfung noch nicht vom Tisch sei. „Menschen, die ein Leben lang gearbeitet haben, dürfen im Alter nicht vom Sozialamt abhängig sein“, so der VdK. Möglichst viele Menschen sollten von der Grundrente profitieren.
Die große Koalition steht in der Grundrenten-Frage unter Druck. Ein Scheitern der Verhandlungen würde ihre Handlungsfähigkeit infrage stellen und in der SPD jene Kräfte stärken, die einen Ausstieg aus der Koalition wollen.
2019-11-04 12:18:00Z
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