Normalerweise rotieren Schwarze Löcher in Doppelsystemen in der gleichen Ebene wie ihre Begleitsterne. Doch jetzt haben Astronomen ein System entdeckt, das deutlich von diesem Schema abweicht. Die Rotationsachse des Schwarzen Lochs und seine Jets aus energiereicher Strahlung und Teilchen sind mindestens um 40 Grad gegenüber der orbitalen Ebene des Systems geneigt. Das wirft Fragen darüber auf, wie eine solche Schieflage zustande kommen kann – und ob die gängigen Bildungsmodelle für solche Paare aus Schwarzem Loch und Stern dies zulassen.
Ob die Planeten des Sonnensystems über Sterne bis hin zu den supermassereichen Schwarzen Löchern im Herzen von Galaxien: Nahezu alle Himmelskörper rotieren um ihre eigenen Achsen. Wenn solche Objekte nicht isoliert stehen, sondern mit Partnern interagieren, wie beispielsweise zwei Sterne in einem Doppelsternsystem, sind ihre Rotationsachsen meist aneinander ausgerichtet: Die Achsen stehen in der Regel senkrecht auf der Ebene, in der sich die beiden Sterne umkreisen. Diese Konfiguration besteht gängiger Annahme auch dann, wenn das System aus zwei ungleichen Partnern besteht. Die gegenseitigen Anziehungs- und Gezeitenkräfte tragen dann noch dazu bei, beide Partner gleichzurichten.
Röntgendoppelstern im Visier
Nach gängiger Theorie gilt diese angepasste Ausrichtung auch für extremere, aktive Kombinationen wie die sogenannten Röntgen-Doppelsterne. In diesen hat einer der beiden Sternenpartner bereits das Ende seines Lebenszyklus erreicht und sich in einen Weißen Zwerg, einen Neutronenstern oder ein stellares Schwarzes Loch umgewandelt. Wegen seiner großen Gravitationswirkung saugt der schwerere Partner seinem Begleiter Material ab, das sich in einer Akkretionsscheibe um den Äquator beispielsweise des Schwarzen Lochs sammelt. Durch die starke Aufheizung und schnelle Rotation des Materials in dieser Scheibe treten in ihr immer wieder explosive Ausbrüche auf, die energiereiche Röntgenstrahlung freisetzen. Das Schwarze Loch kann darüber hinaus einen sogenannten Jet bilden – paarige nach oben und unten aus seinem Zentrum herausschießende Strahlen ionisierter, stark beschleunigter Teilchen. Die Ausrichtung dieser Jets entspricht typischerweise der Rotationsachse des Schwarzen Lochs und dient Astronomen daher als Anzeiger für dessen Ausrichtung.
Einen solchen Jet hat auch das Schwarze Loch, das Astronomen um Juri Poutanen von der Universität Turku näher untersucht haben. Das Objekt ist Teil des Röntgendoppelsterns MAXI J1820+070, der rund 10.000 Lichtjahre von der Erde entfernt liegt. Er besteht aus einem stellaren Schwarzen Loch von rund acht Sonnenmassen und einem Begleitstern, der etwa halb so schwer ist wie die Sonne. Aus früheren Beobachtungen weiß man, dass das Schwarze Loch eine Akkretionsscheibe aus dem vom Stern abgesaugtem Material gebildet hat und dass es auch Jets produziert. Um mehr über die Ausrichtung dieses Systems zu erfahren, haben Poutanen und sein Team die von ihm ausgehende Röntgenstrahlung näher analysiert. Im Speziellen nutzten sie die Polarisation bestimmter Strahlenkomponenten, um daraus auf die Orientierung der Akkretionsscheibe und des Schwarzen Lochs zu schließen.
Um 40 Grad aus der Ebene gerückt
Die Auswertungen ergaben, dass die beiden Partner im Röntgendoppelstern MAXI J1820+070 überraschend schräg zueinander stehen: Die Rotationsachse des Schwarzen Lochs ist gegenüber der orbitalen Ebene des Gesamtsystems um 40 Grad geneigt. Das ist mehr als bisher bei jedem anderen System dieser Art beobachtet. „Das bedeutet, dass die Akkretionsscheibe starken Verwindungen und Verzerrungen ausgesetzt ist“, erklären Poutanen und sein Team. Während der Außenbereich der Scheibe unter dem Einfluss von Gezeitenkräften des Partners steht, wird der Innenrand stärker von der Drehung des Schwarzen Lochs geprägt. „Die inneren Bereiche der Akkretionsscheibe müssen bei 40 Grad Abweichung fast senkrecht zu den äußeren Bereichen stehen“, erklären die Astronomen.
Die starke Schieflage des Schwarzen Lochs gegenüber seinem Heimatsystem wirft die Frage auf, wie diese zustande gekommen ist. Gängige Modelle sehen durchaus vor, dass die Explosion eines Sterns in einer Supernova dem gesamten System einen heftigen „Schubs“ geben kann – im Extremfall wird dadurch sogar ein Partner ganz aus dem Verbund geschleudert. „Eine Fehlausrichtung muss auf diesen Bildungsprozess zurückgehen, weil sie im Verlauf der Akkretion durch das Schwarze Loch nur geringer werden kann“, sagen Poutanen und seine Kollegen. Denn das Absaugen von Material vom Begleitstern erzeugt eine Wechselwirkung beider Partner, die ihre Ausrichtungen eher angleicht. Für MAXI J1820+070 bedeutet dies demnach, dass das Schwarze Loch früher sogar noch weiter aus der gemeinsamen Ebene ausgelenkt gewesen sein muss. Ob ein so heftiger anfänglicher „Kick“ mit den gängigen Modellen vereinbar ist, müsse nun überprüft werden, schreiben Ferdinando Patat von der Europäischen Südsternwarte (ESO) und Michela Mapelli von der Universität Padua in einem begleitenden Kommentar in derselben Ausgabe der „Science“.
Quelle: Juri Poutanen (Universität Turku, Finnland) et al., Science, doi: 10.1126/science.abl4679
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