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Neue Audio-App: Mittendrin im Hype um Clubhouse - ZDFheute

Mit interaktiven Live-Podcasts hat eine neue App in Deutschland am Wochenende einen Internethype entfacht. Wie sich die App anfühlt, und wo es Kritik gibt - ein Selbstversuch.

Eine Nutzerin der Social-Media-App Clubhouse zeigt ihr Smartphone mit der Audio-Anwendung.
Die Social-Media-App Clubhouse liegt aktuell im Trend.
Quelle: dpa

Am Samstagmittag habe ich eine Einladung bekommen. Ins Clubhouse. Kaum angemeldet, schon rollte eine unglaubliche Hypewelle durch meine Timelines: Instagram, Twitter. Alles voll.

Influencer und Internetcrowd waren am Schwärmen: Ich habe den und den Promi getroffen! Wer hat noch eine Einladung zu vergeben? FOMO-Alarm! Fear of missing out - die Angst, Netzgeschichte zu verpassen.

Was ist Clubhouse?

Clubhouse ist eine App für die Ohren. Für die Älteren Talk-Radio ohne Telefon. Für die Jüngeren ein Livepodcast zum Mitreden. Für die Generation Internet ein riesiges Barcamp, Fishbowl, Townhall-Session.

Auf einer virtuellen Bühne sprechen Menschen miteinander und jeder darf mitreden. Podcast 2.0 mit Rückkanal. 2020 in den USA gegründet, bislang nur für das iPhone verfügbar. Android-Nutzer müssen draußen bleiben.

Das Clubhouse-Erlebnis

Nach dem ersten Login fragt die App nach Interessen und schlägt Menschen vor, denen ich folgen kann. Daraus baut sie eine Übersicht von laufenden Veranstaltungen, den "Rooms". Alle sind offen, ich kann mich überall einklinken. Am Samstagmittag ist noch fast alles auf Englisch, am Sonntagmorgen spricht Clubhouse plötzlich Deutsch.

Zugang nur über Warteliste oder per Einladung. Ein Mitglied darf zwei neue reinholen. R-Wert gleich 2. Exponentielles Wachstum. Clubhouse geht viral. Viele Gespräche drehen sich um die App. Wie geht das? Was muss ich machen? Die englischsprachigen Runden sprechen über Startup-Kapital, Social-Media-Optimierung und wie man Internetmillionär wird. Alles ist great, inspiring und "the next big thing".

In Deutschland geht’s um den Shutdown und die Metaebene: "Was passiert hier und wenn ja wie viele?". Aber auch: "Wie geht’s Dir? Wer bist Du?" An diesem Wochenende hat Clubhouse Menschen ohne Maskenpflicht zusammengebracht. Jenseits der eigenen Knuffelkontakte. Hunderte Haushalte. Unbekannte. Einfach mal quatschen. Tut gut. Und ist ansteckend.

Clubhouse komprimiert Zeit

Einmal eingeschaltet, kommt schnell ein Binge Listening-Erlebnis auf: Statt drei TV-Serienstaffeln am Stück hier noch mal reinhören und dann dort. Schon wieder eine Push-Mitteilung: Das sind ja interessante Leute! Und weiter geht’s.

Viele bekannte Namen waren am Wochenende im Haus: die Moderatoren Dunja Hayali und Joko Winterscheidt, der Internet-Irokese Sascha Lobo, FDP-Chef Christian Lindner, der Musiker Olli Schulz oder Influencerin Caro Dauer. Einige von ihnen sogar in einem Raum, auf einer Bühne. Es war ungezwungen offen. Fair und sympathisch. Das deutsche Clubhouse ist noch unschuldig und nett.

Nicht jeder ist überall eingeladen

Jede Veranstaltung beginnt mit einem Moderator und zwei Gruppen: den Rednern auf der virtuellen Bühne und den Zuschauern. Wer sich als Zuschauer beteiligen möchte, hebt mit einem Klick seine virtuelle Hand. Die Moderatoren entscheiden, wen sie mitreden lassen.

Hier liegt eine riesige Chance und zugleich großes Frustpotenzial: Theoretisch kann jeder auf Augenhöhe mitreden, Fragen stellen, Meinungen äußern. Praktisch blieben am Wochenende viele Promis auf ihren Bühnen unter sich. Normale Zuschauer kamen viel zu selten zu Wort.

Eine Chance zum Mitreden

Wie spannend das sein kann, wenn die Bühne jedem offen steht, konnte ich am Abend in meinem ersten selbst erstellten Raum erleben. Rund 200 Unbekannte in einer unaufgeregten, anregenden Diskussion. Anderthalb Stunden lang. Lehrerinnen, eine Professorin, ein Programmierer. Und natürlich viele aus "Was mit Medien", "Was mit Internet" und "Was mit Politik".

Der Austausch über die Stimmen schafft Nähe und Vertrautheit. Eine Teilnehmerin sagte zum Vergleich mit Twitter: "Ich fühle mich hier als Mensch und nicht als Funktionsträgerin, die jedes Wort auf die Goldwaage legen muss." Das Gesagte wird nicht aufgezeichnet. Was im Clubhouse passiert, bleibt im Clubhouse. Noch.

Eine weitere Filterblase? Und was ist mit Hassrede?

Die Nutzerschaft speist sich aus Twitter und Instagram - und zum Teil wohl auch aus Telegram. Netzwerke, die einen kleinen Teil der Gesellschaft abbilden. Ein Teil dieses Teils trifft sich jetzt im Clubhouse. Auf Einladung und nur mit iPhone. Keine Frage: Das ist elitär.

Die begrenzten Einladungen erschweren den Zugang, aber sie nehmen die Nutzer auch in die Verantwortung. Bei der Vermeidung von Hassrede und Beleidigung wälzen die Clubhouse-Macher ihre Verantwortung auf die Nutzer ab: Der Einladende übernimmt eine Patenschaft für seine Eingeladenen. Wird einer davon ausfällig, kann auch sein Pate ausgesperrt werden.

Gleiches gilt für die Moderatoren: Wird in ihren Räumen gehetzt, müssen sie einschreiten. Selbstkontrolle und viel Verantwortung für die Nutzerschaft. In den USA gibt es Kritik am laxen Vorgehen der Clubhouse-Macher gegen Hatespeech. An meinem ersten Wochenende habe ich keine verbalen Ausfälle erlebt.

Einladungen nur mit Adressbuch-Freigabe

Die App ist kostenlos. Das Geschäftsmodell ist nebulös. So ist der größte Pferdefuß, wie so oft, der Datenschutz. Wer andere einladen möchte, muss sein Telefon-Adressbuch freigeben. Die Nummern werden auf den Clubhouse-Server geladen und offensichtlich abgeglichen.

Auf der Einladungsseite zeigt Clubhouse an, wie viele Freunde eines potenziellen neuen Nutzers bereits im Clubhouse warten. Das heißt, wieviele Nutzer haben die jeweilige Nummer ebenfalls hochgeladen.

Ungefragt und unbewusst werden Menschen so zu Schatten-Usern. Dieses Vorgehen kennen wir auch von anderen Messenger-Apps; bei Clubhouse ist es allerdings besonders offensichtlich. Ohne Freigabe ist die Funktionalität eingeschränkt, das Versenden der begehrten Einladungen nicht möglich.

Das nächste große Ding oder eine Sternschnuppe?

Am Tag nach dem wilden Wochenende wird im Netz weiter diskutiert. Wie geht es weiter mit dem Clubhouse? Der Social-Media-Experte Martin Hoffmann prophezeit bereits einen schnellen Absturz: Zu wenig Engagement gegen Hate Speech, nicht divers genug, zu leicht kopierbar. Die Blogger von "Was mit Medien" stöhnen, zwei Stunden Clubhouse seien anstrengend wie ein ganzer Tag auf der Internetkonferenz re:publica.

Und ich? Fühle mich wie nach einer langen, guten Party. Clubhouse-Kater. Unter dem Strich war es einfach nett, mit Leuten zu reden, andere kennenzulernen, Corona-konform. Nichts für jeden Abend, aber ganz sicher für bald mal wieder.

Carsten Behrendt ist Reporter im ZDF-Studio Berlin.
Auf Twitter und Clubhouse:
@nahsehen

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