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"Super Mario World": Wie Mario endgültig super wurde - ZEIT ONLINE

Wie Mario endgültig super wurde – Seite 1

Um das Super-Mario-World-Level zu beenden, muss der Titelheld an mehreren Stellen eines jener tragbaren grünen Trampoline in die Hand nehmen, es nach oben werfen und sich auf den Kopf fallen lassen. Das Trampolin drückt ihn durch die scheinbar undurchdringliche Bodenplatte unter ihm, folgt dem in die Tiefe fallenden Mario, holt ihn ein, wird schließlich seinerseits von Mario eingeholt, sodass dieser auf dem Trampolin landen und sich auf eine höher liegende Ebene schnipsen lassen kann. Course clear!

Sie konnten den Jump'n'Run-Klassiker als Kind mit verschlossenen Augen durchspielen, können sich aber nicht an diesen irrwitzigen Stunt erinnern? Nun, das liegt daran, dass dieser im Originalspiel gar nicht vorkommt. Die Stelle stammt aus einer Modifikation namens "YUMP 2" aus dem Jahr 2020 und ist nur eines von abertausenden Beispielen für den überbordenden Einfallsreichtum, mit dem eine nerdige Fangemeinde ihr 30 Jahre altes Lieblingsspiel in immer verrückteren Versionen am Leben hält. Völlig zu Recht. Denn im Grundgerüst des Spiels versteckt sich schier unendlich viel Potenzial.

Marios Rückkehr

Nintendos Familienkonsole Nintendo Entertainment System (in Japan: Famicom) war im Jahr 1985 zu einem Bestseller geworden, vor allem dank Super Mario Bros. Doch danach kam von Nintendo erst mal lange: nichts. Der Konkurrent Sega nutzte das aus und brachte bereits 1988 den Mega Drive auf den Markt, ein 16-Bit-Gerät, das mit aggressivem Marketing und einem frechen, jugendlichen Image neue Schichten Nutzerinnen und Nutzer anzog. Sega schien schon die Console Wars, die Konsolenkriege, als Gewinn für sich verbuchen zu können. Doch dann kam die Super Famicom (im Rest der Welt: Super Nintendo Entertainment System). Und mit ihr das Premierenspiel: Super Mario World. Dass sich die Konsole am Ende öfter verkaufen würde als das Mega Drive, verdankt sie mit Sicherheit auch Mario – niemand Geringeres als der berühmteste Klempner der Welt wäre imstande gewesen, den Siegeszug von Segas Antagonisten Sonic aufzuhalten.

Drei Jahre lang hatte ein 16-köpfiges Team an Super Mario World gearbeitet – dem notorischen Perfektionisten und Mario- und Zelda-Schöpfer, Shigeru Miyamoto, erschien selbst das noch als zu gehetzt. Die Entwicklung von Super Mario Bros. 4, wie die World im Untertitel der japanischen Veröffentlichung hieß, leitete neben ihm als Produzent der ebenfalls von NES-Beginn an als Director tätige Takashi Tezuka, die Musik komponierte einmal mehr Kōji Kondō. Gewiss wäre storytechnisch noch Luft nach oben gewesen, die Ausgangssituation passt wie gewohnt auf einen Bierdeckel oder in diesem Fall in eine Textbox am Spielbeginn, inklusive unschöner Wortdoppelungen: "This is Dinosaur Land. In this strange land we find that Princess Toadstool is missing again! Looks like Bowser is at it again!"

Dass ein knallbuntes Hüpfspiel erzählerisch nicht über das Motiv "Die Prinzessin muss gerettet werden" hinausgeht, fochten Kritik wie Fans nicht an. Abwechslungsreiches Leveldesign, sanftere und gleichzeitig präzisere Steuerung als in den Vorgängern sowie ein faires Speichersystem machten die dünne Handlung wett. Die zusätzlichen Tasten des Super Nintendo wurden sinnvoll integriert und ließen nun zu, dass Mario Drehsprünge ausführen oder den Bildschirm verschieben konnte.

Weltweit mehr als 20 Millionen verkaufte Einheiten – doppelt so viele wie die ersten beiden Sonic-Spiele zusammen (wenn auch nur halb so viele wie von Super Mario Bros. 1) – sprechen für sich, Neuauflagen erreichen zuverlässig Durchschnittswertungen im 90er-Bereich. Auch wenn das Potenzial der neuen Konsole erst in späteren Games so richtig ausgeschöpft werden sollte, beeindruckte SMW besonders mit der Grafik: Riesen-Gegner, Nah-Fern-Illusionen, semitransparenter Nebel und Mosaikeffekte. Mit 64 beziehungsweise, zählt man die Special Zone mit, 72 Levels und 96 Ausgängen bietet das Spiel bis zu zehn Stunden Unterhaltung bei Nintendo-typisch motivierender Lernkurve und fairem Schwierigkeitsgrad. Auch Kondōs Soundtrack – im Wesentlichen ein Grundthema in sieben Variationen – dürfte sich Millionen von Menschen eingeprägt haben.

Und eine ikonische Figur hatte hier ihren ersten Auftritt: Yoshi, das grün-weiße Reittier, das mit seiner riesigen Zunge Marios Feinde verschlingen konnte und zum Dank dafür Tausende Male als Schutzschild und Schleudersitz geopfert wurde. Miyamoto hatte von Anfang an die Idee gehabt, Mario einen Dinosaurier-Begleiter zur Seite zu stellen, doch erst die technischen Möglichkeiten des Super Nintendos machten sie realisierbar – und Yoshi schließlich so beliebt, dass er in der Fortsetzung Super Mario World 2: Yoshi's Island die Hauptrolle einnehmen durfte, während (Baby-)Mario zum lästigen Transportgut degradiert wurde.

Ein Hoch auf den Emulator

Die wahre Genialität von Super Mario World sollte sich aber erst ein gutes Jahrzehnt später zeigen, als es kaum noch auf der Konsole gezockt wurde, sondern via Emulator auf dem PC. Das ließ sowohl Spielerinnen und Spieler von damals in Nostalgie schwelgen als auch Spätgeborene zu neuen Fans heranwachsen. Die Benutzung eines Emulators, also eines Computerprogramms, das ein anderes System – hier: das Super NES – imitiert, ist bestenfalls eine rechtliche Grauzone; streng genommen darf man eine Spieldatei für einen Konsolenemulator, das sogenannte ROM, nur verwenden, wenn man die dazugehörige Originalkartusche besitzt. Das änderte nichts daran, dass sich bald auf unzähligen Heimcomputern eine gerade mal 512 Kilobyte große Datei namens SMW.smc oder ähnlich befand und in kostenlose SNES-Emulatoren (ZSNES und Snes9x sind bis heute die meistverbreiteten) geladen wurde.

Als Menschen Mitte der Nullerjahre begannen, Videos davon aufzunehmen, wie sie sich durch ihre Games manövrierten, gerieten auch Oldies wie Super Mario World erneut in den Fokus. Ältere Geeks erinnern sich vielleicht daran, dass diese Let's Plays im Prä-Breitbandzeitalter noch nicht auf YouTube, sondern überwiegend als Forenthreads, vor allem auf der Website Something Awful, mit Screenshots und prosaischen Ausschmückungen stattfanden. Mit dem Siegeszug der Video-Let's-Plays wurde SMW zum Dauerbrenner: Es entstanden kreative Durchläufe wie "ascetic SMW": die Challenge, ans Ziel zu kommen, ohne Münzen einzusammeln oder sonstige Punkte zu generieren, und natürlich wurden die meisten Schnelldurchgang-Versuche ("Speedruns") per Emulator unternommen.

Wem selbst das zu langweilig war, der besorgte sich – Romhacks. Dank eines Tools namens Lunar Magic ist es seit 20 Jahren möglich, auf komfortable Weise eigene Levels für Super Mario World und eben alternative Varianten desselben zu basteln. Es stellte sich heraus, dass SMW relativ simpel, aber elegant konstruiert ist. Gleichzeitig kitzelten findige Romhacker immer neue Gimmicks aus dem Grundgerüst heraus: ungenutzte Level-Komponenten wie ein Schwarm aus Fledermäusen ("Swoopers"), eine schwebende Grassode oder eine Minitür, die Mario nur geschrumpft betreten kann. Komplizierte Manöver, die im ursprünglichen Spiel gar nicht genutzt werden, wie das Greifen von zwei Objekten, Wall-Jumps oder im Flug die Richtung wechseln, gehören heute fast zur Grundausbildung von Hardcore-SMW-Gamerinnen.

Das größte Spiel aller Zeiten

Vor allem sind es all jene Fehlerchen, Macken und Unzulänglichkeiten in der Mario-World-DNA, die wegen ihrer Vorhersehbarkeit und Reproduzierbarkeit als Basis für neue Herausforderungen und Rätsel herhalten. Das Trampolin-"Beamen" aus dem eingangs geschilderten Beispiel ist nur einer von Hunderten Glitches, von denen in regelmäßigem Abstand neue entdeckt werden.

Die Zugänglichkeit des Editors, die Substanz der SMW-Rohmasse und unendliche Fantasie haben dafür gesorgt, dass von keinem anderen ROM mehr Hacks existieren als von Super Mario World. In einer Umfrage der Zeitschrift Empire von 2009 wurde es zum größten Spiel aller Zeiten gekürt. Darüber mag man streiten. Das Nintendospiel mit dem nachhaltigsten Unterhaltungsfaktor ist es allemal.

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