Als Sigmar Gabriel im Herbst 2009 SPD-Vorsitzender wurde, hielt er eine fulminante Antrittsrede auf dem Dresdner Parteitag. Eine Kernforderung darin: „Wir müssen raus ins Leben; da, wo es laut ist; da, wo es brodelt; da wo es manchmal riecht, gelegentlich auch stinkt.“ Ich war damals in der Halle und bekam mit, wie die Delegierten Gabriel für diesen Satz feierten – auch wenn etwas unklar blieb, wohin genau die Genossen jetzt gehen sollten.
Zehn Jahre später geht Sigmar Gabriel in den Aufsichtsrat der Deutschen Bank. In gewisser Hinsicht ist das konsequent. Denn die Bank gehört nach Jahren der Misswirtschaft inzwischen zum Prekariat unter den Geldinstituten. Und manche Geschäftspraxis stinkt tatsächlich zum Himmel.
Für den Sozialdemokraten gäbe es viel zu tun. Er könnte sich zum Beispiel dem zweifelhaften Russlandgeschäft der Deutschen Bank widmen, insbesondere der Bereitschaft, russische Gelder zu waschen. 2017 musste sie eine Strafe in Höhe von 630 Millionen Dollar wegen ihrer Verwicklung in russische Geldwäsche zahlen. Zudem ist noch immer unklar, warum sie als einzige Bank bereit war, mit der Organisation des in jeder Hinsicht russlandaffinen Geschäftsmannes Donald Trump Geschäfte zu machen.
Wenn es im Aufsichtsrat künftig um diese Themen geht, sollte Gabriel unbedingt laut werden.
Obdachlose AfD
Am heutigen Samstag hätte eigentlich der Landesparteitag der Berliner AfD stattfinden sollen. Aber er wurde in letzter Minute abgesagt. Der Inhaber des Ballhauses Pankow, dem geplanten Ort der Veranstaltung, soll von Unbekannten mit einem Messer bedroht worden sein, erklärte die Partei. Allerdings hatte der Inhaber den Vertrag offenbar schon vor der Attacke gekündigt. Zuvor hatten mehr als hundert Hoteliers und Hallenbesitzer der Berliner AfD einen Korb gegeben.
Es ist das gute Recht jedes Hallenbesitzers, die AfD nicht in seine Bude zu lassen. Etwas anderes ist es, wenn potenzielle Vermieter von Gegnern der Partei systematisch bedroht werden. In der Vergangenheit hatte es in Berlin den Aufruf zur „Wut-Kundgebung gegen die Vermietung an die AfD“ gegeben, samt Drohung, der Parteitag solle „zu Brei gestampft“ werden.
Wäre ich Hallenbesitzer, würde ich auch nicht an Rechtspopulisten vermieten. Aber die Einschüchterung jener, die dazu bereit sind, halte ich für einen völlig falschen Weg. Das hilft ihr nur, sich als Märtyrer zu präsentieren.
Solange diese Partei nicht vom Verfassungsschutz verboten wurde und rechtmäßig gewählt in Landesparlamenten und im Bundestag sitzt, soll sie auch Parteitage abhalten können. Es muss ja nicht gerade eine schöne Halle sein.
Im „Conseil des Ministres“, dem französischen Ministerrat, stellte Premier Edouard Philippe gestern den 1500 Seiten langen Entwurf für eine Rentenreform vor. Draußen, an der Place de la République, demonstrieren derweil die Gegner der Reform unbeeindruckt weiter. Sie fordern deren Rücknahme. Erst dann wollen sie den Streik, der nun schon sieben Wochen lang andauert, beenden. Das ist keine Verhandlungsposition, sondern kommt einer Erpressung gleich.
Zwar demonstrierten gestern weniger Franzosen als noch im Dezember. Aber es gingen nun auch Anwälte, Lehrer oder Ärzte auf die Straße, nicht nur radikalisierte Anhänger der linken Gewerkschaft CGT. Wie die Regierung das in Gegner und Befürworter der Reform gespaltene Land wieder einen möchte, ist nicht abzusehen. Der Ton wird immer aggressiver.
„Es geht nicht mehr nur um den Protest gegen die Rentenreform“, sagt meine Kollegin Britta-Sandberg, SPIEGEL-Korrespondentin in Berlin. „Nach sieben Wochen Streik zeigt sich nun auch ganz offen die Wut und der Hass auf die Regierung.“
Verlierer des Tages ...
... ist Mohammed bin Salman. Würden sich die Macher einer schlechten Splatter-Serie einen solch ruchlosen Charakter wie den saudischen Kronprinzen ausdenken, würden sie für verrückt erklärt. Vor einem Jahr zerstückelten seine Schergen mit einer Knochensäge den Regimekritiker Jamal Khashoggi im saudi-arabischen Konsulat in Istanbul. Niemand, der mit der Herrschaftsstruktur im Königreich vertraut ist, zweifelt daran, dass der Auftrag von bin Salman persönlich kam.
Nun soll er die Handydaten von Amazon-Gründer Jeff Bezos ausspioniert haben, über seinen eigenen WhatsApp-Account. Ein Uno-Bericht bestätigt, dass nach einem WhatsApp-Kontakt zwischen dem Prinzen und Bezos ein Schadprogramm begann, Daten von Bezos iPhone abzusaugen: Textnachrichten, Fotos, Notizen. Mit diesen Daten, unter anderem belegten sie eine Affäre Bezos', wurde der milliardenschwere Unternehmer später erpresst.
Das Motiv liegt auf der Hand. Der störende Dissident Kashoggi war Kolumnist der „Washington Post“ und Bezos der Besitzer der Zeitung. Zudem veröffentlichte die „Post“ nach dem grausamen Mord zahlreiche investigative Berichte darüber.
Meine Kollegen bringen im neuen SPIEGEL Licht in die finsteren Machenschaften des Kronprinzen. Ihr Text beschreibt einen Mann, den selbst kreative Drehbuchschreiber so nicht entworfen hätten.
Die jüngsten Meldungen aus der Nacht
Die SPIEGEL+-Empfehlungen für heute
Ich wünsche Ihnen einen guten Start in den Tag.
Ihr Markus Feldenkirchen
2020-01-25 07:28:03Z
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