Freie Fahrt will das Haus von Andreas Scheuer auf Twitter propagieren – und verwendet ein Foto aus der Schweiz. Dort gilt seit Jahrzehnten generell Tempo 120.
Andreas Scheuer hat derzeit allen Grund, populären Themen etwas Schwung zu geben. Das liegt auch an der durchaus unpopulären Forderung der verhinderten Betreiber des Pkw-Maut-Systems nach 560 Millionen Euro Schadensersatz, die kurz vor Weihnachten bekannt wurde.
Freie Fahrt für freie Bürger ist da immer ein bewährtes Mittel aus dem PR-Köfferchen. Und siehe da: Prompt sprach sich der Verkehrsminister von der CSU gegen ein generelles Tempolimit auf Autobahnen aus.
„Wir haben weit herausragendere Aufgaben, als dieses hoch emotionale Thema wieder und immer wieder ins Schaufenster zu stellen – für das es gar keine Mehrheiten gibt“, sagte er der Deutschen Presse-Agentur. Schon war es das große Thema des ersten Weihnachtsfeiertags. Die SPD will bekanntlich mit den Koalitionspartnern von der Union noch mal über ein generelles Tempolimit von 130 km/h auf Autobahnen reden. Die Parteivorsitzende Saskia Esken reagierte denn auch pikiert auf die Äußerungen des Ministers. Er sei „nicht in der Position, im Alleingang die Angelegenheiten der Koalition zu regeln“, merkte sie an.
Scheuers Haus flankierte die Autobahn-Offensive mit einem Tweet. „Der Bundestag hat ein Tempolimit mit 498:126 Stimmen abgelehnt. Der Verkehr in DE soll bestmöglich fließen – nachts bei freier Fahrt und zu Stoßzeiten, z.B. an Weihnachten. Daher wollen wir den Verkehr intelligent, digital & flexibel steuern – ohne Verbote“, zitierte das „Team Neuigkeitenzimmer“ des Bundesverkehrsministeriums den Chef.
Passend dazu lud es ein Bild einer Autobahn im Abendrot hoch, eine Langzeitbelichtung, bei der Scheinwerfer und Rücklichter in langen Strahlen, die Bewegung und Schnelligkeit versprechen, zusammenfließen.
Dumm nur, dass diese jungen Leute bei Twitter immer so genau hinschauen. Ein Blick auf den rechten Rand des Fotos verriet seine Herkunft: Thalwil stand dort auf einem Schild, außerdem „1000 m“ und die Nummer der Ausfahrt 34. Das Foto zeigt die Schweizer Autobahn 3 in Höhe einer kleinen Gemeinde am Westufer des Zürichsees. Und auf Schweizer Autobahnen gilt seit 1985 generell, was Minister Scheuer vor Monaten einmal als Forderung „gegen jeden Menschenverstand“ bezeichnet hatte: ein Tempolimit von 120 km/h.
Schweiz oder Deutschland – das sind doch nur Namen!
Zuerst bemerkte den Missgriff Twitter-Nutzer Jonas Lohse, der das Ministerium per Kommentar darauf hinwies. Man kann sich gut vorstellen, wie unangenehm das dem Team im Neuigkeitenzimmer war, so ungelenk fiel die Antwort aus. „Du hast Recht“, schrieben Scheuers Leute viereinhalb Stunden später. „Wie im Tweet-Text erwähnt, geht es uns um den Verkehrsfluss in Deutschland. Dass wir den Namen der Ausfahrt nicht beachtet haben, war ein Versehen.“
Was dort nicht stand: dass das Tempolimit in der Schweiz dem Verkehrsfluss zumindest nicht schadet, wenn man dem Bild glauben kann. Stattdessen gab es noch einen freundlichen Gruß: „Frohe Weihnachten dir.“
Twitter-Nutzer Lohse machte sich denn auch am Festtag an die frohe Aufgabe, einen Blick in den Schweizer Bußgeldkatalog zu werfen. In einem weiteren Tweet wies er darauf hin, dass in der Schweiz schon 110 Euro entrichten muss, wer dort die von Scheuer propagierte Richtgeschwindigkeit von 130 km/h fährt.
2019-12-26 13:05:21Z
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