Die CDU in Sachsen-Anhalt stellt sich vor ein Mitglied mit rechtsextremer Vergangenheit. Die Koalition mit Grünen und SPD droht daran zu zerbrechen. Regierungschef Haseloff könnte dann nur mithilfe der AfD weitermachen.
Es war ausgerechnet ein Mitglied der jüdischen Gemeinde in Halle, das vor einigen Tagen eine rechte Verbindung in der sachsen-anhaltischen CDU aufdeckte - und damit eine Koalitionskrise in der Regierung des Bundeslandes auslöste.
Per Tweet fragte der Hallenser Juso Igor Matviyets die CDU, wie es denn sein könne, dass die Christdemokraten in Sachsen-Anhalt explizit in ihr Grundlagenpapier schreiben, der Islam gehöre nicht zu Deutschland.
Es antwortete: Robert Möritz, ein CDU-Kommunalpolitiker aus Anhalt-Bitterfeld. "Der Islam ist mit den christlichen Werten, auf denen Deutschland aufgebaut ist, nicht vereinbar" schrieb der 29-jährige Physiotherapeut. Ein von Matviyets beschriebener "Rechtsruck" in der CDU sei vielmehr "ein Schritt hin zur Seele der CDU". Matviyets fiel auf dem Profilfoto des antwortenden Politikers ein kleines Symbol auf: ein Schwert, das in einem Kreuz steckt. Es handelt sich dabei um das Symbol des umstrittenen Vereins Uniter, der in Verdacht steht, rechtsextreme Verbindungen zu haben.
Die Entdeckung des Jusos verursachte innerhalb weniger Tage eine Koalitionskrise in Sachsen-Anhalt. In der Folge stellte sich eine rechtsextreme Vergangenheit von Möritz heraus. CDU, SPD und Grüne regieren in Magdeburg seit 2016 und gerieten in der Vergangenheit immer wieder heftig aneinander. Nun stehen SPD und Grüne der CDU so vehement gegenüber wie noch nie: Es geht um den Umgang der CDU mit Rechtsextremismus in den eigenen Reihen.
Was ist Uniter?
Uniter ist eine Gruppe früherer Sicherheitskräfte, die nach eigenen Angaben Sicherheitskonzepte entwickelt und Kontakt untereinander fördern will. Gegründet wurde sie 2016 von dem gebürtigen Hallenser und KSK-Feldwebel André S. Unter dem Decknamen "Hannibal" S. soll er in der Bundeswehr ein hochkonspiratives Netzwerk rechtsgesinnter Soldaten aufgebaut haben. Die Uniter-Verbindung reichte zeitweise bis in den baden-württembergischen Landesverfassungsschutz.
Von der Bundesregierung hieß vor einigen Wochen, Uniter sei derzeit zwar "kein Beobachtungsobjekt des Verfassungsschutzes", man gehe aber "Hinweisen auf extremistische Bestrebungen" nach.
Tatsächlich fanden sich auf dem Facebookprofil von Möritz, der inzwischen einräumte, Uniter anzugehören, Spuren seiner rechtsextremen Vergangenheit. Im Mai 2011 besuchte er einen Neonaziaufmarsch in Halle. Wie er sagt, sei er dort beruflich gewesen, als Sicherheitskraft. Private Sicherheitskräfte sind jedoch bei politischen Demonstrationen in Sachsen-Anhalt verboten. Inzwischen gestand Möritz seine rechtsextreme Vergangenheit, spricht von "Verirrungen" seiner Jugend: "Ich distanziere mich hier und heute noch einmal von extremistischen Strömungen aller Couleur", sagte er. Der CDU-Kreisvorstand Anhalt-Bitterfeld votierte am Freitag einstimmig, dass die Partei an Möritz festhalten wolle und sich nicht distanziere. Der wiederum erklärte am Sonntag, dass er aus Uniter ausgetreten sei.
Holger Stahlknecht, Innenminister und CDU-Landeschef von Sachsen-Anhalt: "Durch dieses Agieren der Grünen wird die Koalition in Frage gestellt"
Die Kenia-Koalition vor dem Aus
Für den Koalitionspartner der CDU, die Grünen, ist die Causa Möritz ein Affront. Selbst wenn sich Möritz von seiner Vergangenheit distanziert habe, könne es nicht sein, dass die CDU solche Personen in ihren Parteigremien akzeptiere. "Wie viele Hakenkreuze haben Platz in der CDU?", fragten die Grünen-Landesvorsitzenden Susan Sziborra-Seidlitz und Sebastian Striegel in einer Pressemitteilung - eine Anspielung auf ein Tattoo von Möritz, das mehrere Hakenkreuze zeigt. Striegel engagiert sich seit Jahren gegen Rechtsextremismus und erhält Morddrohungen aus der Szene.
Der CDU-Generalsekretär Sven Schulze wiederum forderte eine Entschuldigung von den Grünen. "Ohne eine Entschuldigung knallt es, dann ist eine Fortsetzung der Koalition kaum denkbar", sagte Schulze. Auch CDU-Landeschef Holger Stahlknecht pflichtet seinem Generalsekretär bei. "Durch dieses Agieren der Grünen wird die Koalition in Frage gestellt", sagte Stahlknecht der "Magdeburger Volksstimme".
Die Grünen-Spitze machte bereits deutlich, dass sie sich nicht entschuldigen werde. "Um einen Generalverdacht handelt es sich überhaupt nicht", sagt Striegel dem SPIEGEL, es gehe um den Umgang mit der Causa Möritz. Unterstützung kommt auch vom anderen Koalitionspartner, der SPD. "Die CDU in Sachsen-Anhalt muss sich entscheiden: Eine von ihr geführte Koalition der Vernunft oder ein Marsch nach Rechts, ins politische Niemandsland", sagt der SPD-Landeschef Burkhard Lischka dem SPIEGEL.
Aus Regierungskreisen heißt es, Ministerpräsident Reiner Haseloff habe bereits deutlich gemacht, dass er sich in den Konflikt nicht einmischen wolle. Der CDU-Fraktionsvize Ulrich Thomas schrieb auf Twitter, sein Kreisverband Harz unterstütze "im Bedarfsfall die Einberufung eines Sonderparteitags", um die Kenia-Koalition zu beenden.
Vor allem für den CDU-Chef Stahlknecht ist die Situation verzwickt. Nur sehr knapp überstand er die Affäre um den Polizeigewerkschafter Rainer Wendt, den er zu seinen Staatssekretär im Innenministerium machen wollte und damit scheiterte. Sollte er weitere Teile der CDU gegen sich aufbringen, dürfte er sich kaum halten können.
Der Streit zeigt somit, wie stark inzwischen der sogenannte "konservative Kreis" in Sachsen-Anhalt geworden ist, der nun das Zünglein an der Waage sein könnte. Der Landesvorstand akzeptierte die 2017 gegründete Gruppe mehrerer CDU-Politiker als parteiinternes Gremium. Auf dem kleinen Landesparteitag setzte sie sich kürzlich damit durch, dass die Partei eine Minderheitsregierung mit Tolerierung der AfD künftig nicht ausschließt. Noch steht die Gruppe hinter Stahlknecht, heißt es dort. Wenn Stahlknecht sich von ihnen distanziere, dürfte diese Unterstützung Geschichte sein.
Verbindungen zwischen "konservativem Kreis" und Uniter
Auch der frühere Neonazi Möritz gehört dem konservativen Kreis an. Der Vorsitzende des Gremiums ist Matthias Egert, der Kreisvorsitzende von Anhalt-Bitterfeld ist, der sich hinter Möritz stellt. Nach SPIEGEL-Informationen ist Kai Mehliß, aktives Mitglied im konservativen Kreis, ebenfalls bei Uniter. Vergangene Woche organisierte er ein Treffen der Verbindung in seinem Wohnort Bernburg. Auf Nachfrage des SPIEGEL will er sich dazu nicht äußern.
Wie viele Uniter-Leute noch im konservativen Kreis der CDU aktiv sind, ist unklar. Gerhard Oertel, ebenfalls Mitglied des konservativen Kreises, sagt dem SPIEGEL, er habe nichts über diese Verbindungen gewusst und distanziere sich deutlich vom Rechtsextremismus. Weder Möritz und Mehliß seien mit rechtsextremen Äußerungen aufgefallen. Unabhängig davon sieht er keine Zukunft für die Koalition in Sachsen-Anhalt. "Kenia war ein Experiment, das in meinen Augen eindeutig gescheitert ist", sagt er.
Wenn die Koalition auseinanderbricht, stehen Sachsen-Anhalt heftige Verwerfungen bevor. In der kommenden Woche diskutiert der Landtag den Haushalt. Sollten SPD und Grüne die Koalition verlassen und die CDU als Minderheitsregierung weiterregieren, wären die Christdemokraten wohl umgehend auf eine Zusammenarbeit mit der AfD angewiesen. Der konservative Kreis hätte sich endgültig durchgesetzt, so sehen es führende Kreise der Grünen. Etliche Mitglieder in der CDU kündigten bereits ihren Austritt an, sollte es soweit kommen.
Für den Juso Igor Matviyets, der die Diskussion mit seinem Tweet ins Rollen brachte, eine erschreckende Vorstellung. "Der CDU-Vorsitzende und Innenminister Holger Stahlknecht hat uns Jüdinnen und Juden nach dem Attentat in Halle versprochen, dass wir besser geschützt werden", sagt Matviyets dem SPIEGEL. "Nun schützt er einen Neonazi, das spricht für sich selbst."
2019-12-15 14:31:01Z
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