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Rentenversicherung: Bundesbank warnt vor finanzieller Schieflage - WELT

Rentenversicherung: Bundesbank warnt vor finanzieller Schieflage - WELT

Noch herrscht Ruhe vor dem Sturm. In den vergangenen Jahren stellte die Finanzlage der Rentenversicherung kein Problem dar – im Gegenteil. Es war genug Geld da, um die Beitragssätze zu senken und die Leistungen dennoch ausweiten zu können. Doch das wird sich spätestens Mitte des kommenden Jahrzehnts ändern, dann droht die gesetzliche Rente in einen finanziellen Abgrund zu schlittern.

Dies jedenfalls zeigen Berechnungen der Bundesbank, die sie in ihrem aktuellen Monatsbericht veröffentlicht hat. Sie hat darin analysiert, wie sich Beitragssätze, Rentenniveau und Bundeszuschüsse auf Basis der aktuellen Gesetzeslage entwickeln werden, und zwar bis zum Jahr 2070 – so weit voraus hat bisher kaum jemand geschaut. Das Fazit der Experten: Nur eine weitere Anhebung des Renteneintrittsalters könne verhindern, dass die Rentenfinanzierung völlig aus dem Ruder läuft. Allerdings sehen andere durchaus weitere Alternativen.

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Die gegenwärtige Ruhe rührt auch daher, dass die große Koalition in diesem Jahr die sogenannte doppelte Haltelinie eingeführt hat: Der Beitragssatz darf nicht über 20 Prozent steigen, das Rentenniveau nicht unter 48 Prozent fallen. Bis 2025 gilt dies – allerdings ist bis dahin ohnehin nicht damit zu rechnen, dass diese Werte unter- bzw. überschritten werden, wie die Berechnungen der Bundesbank zeigen.

Die Nettolöhne würden sinken, die Mehrwertsteuer steigen

Danach allerdings geht es los. Fallen diese Garantien wieder weg und gilt ab 2025 wieder die alte Rechtslage, so wird sich die finanzielle Situation der Rentenversicherung schnell und radikal verändern. Das liegt daran, dass ab dann die geburtenstarken Jahrgänge, die sogenannten Babyboomer, in Rente gehen. Gleichzeitig steigt die Lebenserwartung weiter stetig an. Und obwohl bis 2031 das Renteneintrittsalter nach und nach auf 67 erhöht wird, vermag das diese Unwucht längst nicht auszugleichen.

Als Folge wird der Bundesbank zufolge der Beitragssatz bis Mitte der 30er-Jahre daher von derzeit 18,6 auf rund 24 Prozent steigen müssen, bis 2070 auf etwa 26 Prozent. Den Berechnungen liegen die mittleren Prognosen zur Bevölkerungsentwicklung des Statistischen Bundesamtes zugrunde. Diese Erhöhungen wären zu gleichen Teilen von Arbeitnehmern und Arbeitgebern zu tragen, die Nettolöhne würden also sinken, gleichzeitig die Arbeitskosten für die Unternehmen steigen.

Quelle: Infografik WELT

Parallel dazu müssten auch die Zuschüsse aus dem Bundeshaushalt in die Rentenkasse drastisch erhöht werden. 2018 waren das 83,8 Milliarden Euro, was rund 3,3 Prozent der Bruttowertschöpfung der Bundesrepublik entspricht. Schon 2030 wird dieser Anteil auf rund vier Prozent steigen, bis 2050 auf 4,5 und bis 2070 auf fünf Prozent. Um dieses Geld aufzubringen, müsste der Staat beispielsweise die Mehrwertsteuer von derzeit 19 auf 23,5 Prozent erhöhen.

Trotz alledem würde das Versorgungsniveau drastisch sinken. Schon 2030 läge es nur noch bei 46 Prozent, 2050 bei 42 und 2070 bei 40 Prozent. Dieses Versorgungsniveau bildet den Rentenanspruch im Verhältnis zum vorherigen Einkommen ab, wobei ein Arbeitnehmer zugrunde gelegt wird, der 45 Jahre lang genau das durchschnittliche Einkommen erzielt hat. Der Rückgang von 48 auf 40 Prozent bedeutet damit letztlich ein Absinken des Rentenniveaus um 20 Prozent.

Das Rentensystem wird sich dramatisch verändern

Um solche Ausschläge zu verhindern, hat die Bundesregierung eine Kommission eingesetzt, die Vorschläge für eine umfassende Rentenreform erarbeiten soll. Sie soll Mitte des kommenden Jahrzehnts in Kraft treten, also dann, wenn die doppelten Haltelinien eigentlich auslaufen sollen.

Daher hat die Bundesbank auch ausgerechnet, was es bedeuten würde, wenn diese Stellschrauben über das Jahr 2025 hinaus gelten würden. Sollte das Rentenniveau auch danach bei 48 Prozent festgeschrieben werden, müsste zum Ausgleich der Beitragssatz schon Mitte der 30er-Jahre den Wert von 26 Prozent erreichen, bis 2070 würde er sogar auf 31 Prozent steigen. Der Bundeszuschuss wiederum würde 2070 sechs Prozent der Bruttowertschöpfung betragen.

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Und sollte sogar die derzeit geltende doppelte Haltelinie beibehalten werden, die auch den Beitragssatz bei maximal 20 Prozent einfriert, so müsste der Bundeszuschuss bis 2070 auf elf Prozent der Bruttowertschöpfung klettern – das entspricht derzeit fast dem gesamten Bundeshaushalt.

Doch selbst wenn die Haltelinien aufgegeben werden, würden sich alle drei Stellgrößen des Systems – Beitragssatz, Versorgungsniveau und Bundeszuschuss – erheblich verändern. Daher rät die Bundesbank eine vierte Stellgröße einzusetzen, um die anderen zu entlasten: das Renteneintrittsalter.

Andere Experten bringen Rente mit 73 ins Spiel

Dieses steigt zwar bis 2031 auf 67 Jahre, soll nach bisher geltender Rechtslage danach jedoch konstant bleiben. Allerdings ist anzunehmen, dass die Lebenserwartung weiter steigen wird. Daher solle das Renteneintrittsalter daran gekoppelt werden, fordert die Bundesbank.

Dies würde dazu führen, dass es jedes Jahr um einen Dreiviertelmonat steigen müsste – bis zum Jahr 2070 läge es folglich bei 69 Jahren und vier Monaten. Als Folge könnte das Versorgungsniveau bei 43 bis 44 Prozent stabilisiert werden, der Beitragssatz würde nur auf 24 Prozent steigen und der Bundeszuschuss auf etwa 4,5 Prozent der Bruttowertschöpfung.

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Ähnliche Forderungen haben auch schon andere Experten aufgestellt. Am weitesten geht dabei wohl das arbeitgebernahe Institut der Deutschen Wirtschaft (IW) in Köln, das bereits die Rente mit 73 ins Spiel brachte. So könnten sowohl die Renten als auch die Beiträge stabil gehalten werden – Letzteres ist natürlich ein besonders wichtiges Anliegen der Arbeitgeber.

Die Forderung der Bundesbank unterscheidet sich davon jedoch insofern, als dass sie kein konkretes Alter nennt. Vielmehr soll die Renteneintrittsgrenze von der Entwicklung der Lebenserwartung abhängen. Steigt diese nicht weiter, kann es auch bei der Rente mit 67 bleiben.

Rentenfinanzen profitierten vom Beschäftigungsboom

Allerdings gibt es in der Kommission der Bundesregierung auch Mitglieder, die auf ganz andere Schwerpunkte setzen. So fordert der Bundesverband der Verbraucherzentralen beispielsweise eine grundlegende Reform der Altersvorsorge. Die Riester-Rente funktioniere nicht, vor allem wegen der mangelnden Qualität der Produkte und der Vermittlungsdienstleistungen. Stattdessen solle ein einfaches, kostengünstiges und renditestarkes Standardprodukt nach schwedischem Vorbild eingeführt werden, das unter staatlicher Obhut geführt wird.

Andere, wie der Bundesverband der Arbeiterwohlfahrt, verweisen darauf, dass die Prognosen der Vergangenheit verfehlt wurden. So sei 2003 ein Anstieg des Beitragssatzes bis 2020 auf 20,2 Prozent vorhergesagt worden. Stattdessen liegt er nun bei 18,6 Prozent, trotz der Leistungsausweitungen der vergangenen fünf Jahre.

Trotzdem wäre es fahrlässig, anzunehmen, die jetzigen Prognosen wären erneut zu pessimistisch. Zwar verweist die Bundesbank selbst darauf, dass es sich nicht um Punktprognosen handele, sondern um Simulationen mit vielen Annahmen. In den vergangenen Jahren sei die Entwicklung der Rentenfinanzen aber nur deshalb so positiv verlaufen, weil Deutschland einen jahrelangen Beschäftigungsboom erlebt hat. Dass dieser weitere 50 Jahre anhält, ist höchst unwahrscheinlich.

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2019-10-21 10:00:00Z
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