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Extinction Rebellion in Berlin: Potsdamer Platz wird geräumt - WELT

Extinction Rebellion in Berlin: Potsdamer Platz wird geräumt - WELT

Die Polizei hat am frühen Dienstmorgen mit der Räumung des blockierten Potsdamer Platzes begonnen. Gegen sieben Uhr war die Kreuzung bereits weitestgehend frei, wie WELT-Reporterin Tina Kaiser vom Ort des Geschehens berichtet. Rund ein Dutzend Klimaaktivisten von Extinction Rebellion, die sich unter anderem an Badewannen und einem Lastwagen festgekettet hatten, befanden sich noch auf dem Platz. „Wir sind auf der Suche nach einer technischen Lösung, um die Herrschaften loszubekommen, ohne sie zu verletzen“, sagte Einsatzleiter Matthias Wenske.

Laut Wenske verlief die Räumung bislang friedlich. Mehrere Personen, die auf dem Dach des Lastwagens gesessen hatten, stiegen nach mehrfacher Aufforderung herunter. Die Polizei hatten ihnen zuvor eine Gebühr in Höhe von 1000 Euro angedroht für den Fall, dass ein Feuerwehreinsatz nötig werde, um die Aktivisten vom Dach zu holen. Etwa 200 Demonstranten standen vor dem Zugang zum Bahnhof am Rand der Kreuzung und sangen Lieder.

Bereits am Montagnachmittag waren 480 Demonstranten von der Polizei weggetragen worden. Mehr als 150 Teilnehmer harrten bis in die Nacht am Potsdamer Platz aus, nachdem die Polizei eine Räumung am Montagabend abgebrochen hatte. Der Große Stern sei noch immer besetzt, hieß es am Dienstagmorgen seitens der Polizei.

Im Lauf der Woche wollen die Klimaaktivisten ihren Protest in Berlin und auch anderen Städten weltweit fortsetzen. Über die genaue Art der für Dienstag geplanten Proteste gab es noch keine Auskünfte – sie sollen wieder relativ spontan stattfinden. In der Nacht sei die Lage in der Hauptstadt ruhig gewesen, sagte ein Sprecher der Polizei am frühen Morgen, und fügte an: „Die müssen ja schlafen, die wollen morgen weitermachen.“

Climate activists from Extinction Rebellion launch a new wave of civil disobedience in Berlin
Die Räumung des Potsdamer Platzes verlief laut Polizei friedlich
Quelle: REUTERS

Am Abend verschickten Organisatoren der Gruppe die Nachricht, dass die Berliner Polizei ihre Aktion gegen die Demonstranten abgebrochen habe. „Wir haben es geschafft: Die Räumung am Potsdamer Platz wurde unterbrochen! Die Stimmung könnte nicht besser sein.“ Die Aktivisten kündigten am Abend an, die ganze Nacht am Potsdamer Platz und an der Siegessäule bleiben zu wollen.

Die Polizei gab dazu am Montagabend zunächst keine Auskunft: „Ich kann eine Unterbrechung der Räumung weder bestätigen noch dementieren“, sagte ein Sprecher der Berliner Polizei. Wenig später twitterte die Verkehrsleitzentrale Berlin, eine Einrichtung der Senatsverwaltung für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz: „Die Polizei hat die Räumung am #PotsdamerPlatz in #Tiergarten abgebrochen. Der Potsdamer Platz sowie der #GroßeStern bleiben vorerst #GESPERRT.“ Zuvor waren nach Angaben der Polizei 408 Demonstranten weggetragen worden.

Die Polizei hatte am Montagnachmittag am Potsdamer Platz damit begonnen, die Kundgebung der Klimaaktivisten von Extinction Rebellion zu räumen. Nachdem die Beamten zunächst Möbel von der Straße räumten, die die Demonstranten zuvor aufgebaut hatten, wurden auch die ersten Aktivisten fortgetragen, wie ein Reporter der Nachrichtenagentur dpa berichtete. Anschließend überprüften die Beamten die Personalien der Demonstranten.

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Zuvor hatte die Polizei mit mehreren Durchsagen den Demonstranten angeboten, ihre Kundgebung auf dem Bahnhofsvorplatz fortzusetzen. Die Demonstration war nur bis 14.00 Uhr angemeldet.

Am Großen Stern in Tiergarten müssen sich Autofahrer weiter auf Behinderungen einstellen. „Die Zufahrten zum Großen Stern bleiben bis auf Weiteres gesperrt“, sagte ein Polizeisprecher am Montagnachmittag.

Eine Sprecherin der Gruppe kündigte an, dass Aktivisten an der Siegessäule übernachten wollen. Dort legten sich Menschen am frühen Abend nebeneinander und steckten ihre Arme in Plastikrohre, um sich so miteinander zu verbinden.

Aktivisten der Klimabewegung Extinction Rebellion am Montag vor der Siegessäule
Aktivisten der Klimabewegung Extinction Rebellion stehen vor einer Girlande mit dem Wort "Rebel" am Großen Stern um die Siegessäule
Quelle: dpa/Carsten Koall

Die Klima-Aktivisten wollen Berlin eine Woche lang blockieren. Am Montag demonstrierten sie unangemeldet an der Siegessäule am Großen Stern und am Potsdamer Platz. Nach Angaben des Bündnisses versammelten sich rund tausend Aktivisten an der Siegessäule. Seit vier Uhr blockierten die Demonstranten alle Straßen rund um den Großen Stern, teilte die Gruppe mit.

Die Polizei sperrte den Verkehr um den Stern weiträumig ab, Autos wurden umgeleitet. Laut Polizisten vor Ort gab es keinen Stau. „Sind halt Ferien“, sagte ein Beamter am Morgen achselzuckend. Die Polizei schätzte die Zahl der Demonstrationsteilnehmer auf 1000, die Veranstalter sprachen von 1200.

„Auch wenn Berlin leer ist, sind die Auswirkungen groß“, sagte ein Mitarbeiter der Verkehrsinformationszentrale. Durch die Sperrungen hätten Autofahrer bis zu 20 Minuten länger gebraucht.

Die Polizei twitterte, sie habe den Demonstranten angeboten, den Protest in drei der fünf abzweigenden Straßen des Großen Sterns fortzusetzen. Zwei weitere zentrale Straßen würden dadurch wieder frei. „Entscheidung steht noch aus“, hieß es am Nachmittag von der Polizei.

Am späten Vormittag begann auch eine Kundgebung auf dem Potsdamer Platz. Videos zeigten Menschengruppen, die sich mit Tischen, Stühlen und Topfpflanzen auf der Kreuzung versammelten. Die Polizei sprach dort zunächst von 300 Teilnehmern.

Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) bezeichnete die Straßenblockaden als „unsäglich“. „Sie blockieren frühmorgens Leute, die zu ihrer Arbeit fahren und die dafür sorgen, dass jeden Tag in Deutschland Wohlstand erwirtschaftet wird“, sagte Scheuer am Montag am Rande einer Veranstaltung im niederbayerischen Bad Birnbach. Im Bundesverkehrsministerium werde jeden Tag aktiver Klimaschutz betrieben – mit Innovationen und mit Anreizen. „Ich habe von den Extremen selten vernünftige Vorschläge gehört.“

Vor der Siegessäule hielt am Mittag die Kapitänin der „Sea Watch 3“, Carola Rackete, eine Rede. Rackete kritisierte die Klimapolitik der Bundesregierung scharf und zog einen Vergleich mit dem Sterben von Flüchtlingen im Mittelmeer. Die „Untätigkeit der deutschen Regierung“ verurteile Menschen auf der ganzen Welt und zukünftige Generationen „zum Tode durch unterlassene Hilfeleistung“ – und zwar, so Rackete weiter, „wie sie es aktuell mit den Flüchtenden überall auf dem Mittelmeer tut“.

Carola Rackete bei ihrer Rede vor der Siegessäule
Carola Rackete forderte die Bundesregierung auf, den „ökologischen Notstand“ auszurufen
Quelle: REUTERS

Rackete sagte, sie empfinde es als moralische Verpflichtung, gegen diese „zerstörerische Politik“ zu protestieren. Die Zerstörung der Ökosysteme stelle eine existenzielle Krise dar, die sich immer schneller verstärke. „Es ist mehr als Zeit, dass die Regierung die Wahrheit sagt und den ökologischen Notstand ausruft.“

Carola Rackete hatte Ende Juni für Aufsehen gesorgt, als sie mit mit 40 Flüchtlingen an Bord trotz ausdrücklichen Verbots des damaligen italienischen Innenministers Matteo Salvini den Hafen der Mittelmeerinsel Lampedusa angelaufen hatte.

Aktionen sollen mindestens eine Woche andauern

Berlins Innensenator Andreas Geisel hat ein Vorgehen „mit Augenmaß“ gegen die Aktivisten angekündigt. Man werde sich die Versammlungen anschauen und einige auch eine Weile gewähren lassen, sagte der SPD-Politiker dem Inforadio des RBB. „Es ist ja so, dass wir Blockaden, Veranstaltungen durchaus als spontane Demonstrationen werten können, die ja nach Demonstrationsrecht zulässig sind“, sagte Geisel weiter.

Man sei aber auch bereit, energischer vorzugehen, wenn etwa Gewalt angewendet werde oder kritische Infrastrukturen wie der Flughafen betroffen seien. Die Demonstranten verteilten Handzettel an die Polizei mit dem Hinweis, dass sie die Erde gewaltfrei retten wollten. „Wir bitten Euch: Respektiert unsere körperliche Unversehrtheit!“, hieß es auf den Zetteln.

Aktivisten der Umweltschutzbewegung Extinction Rebellion blockieren die Zufahrten am Großen Stern an der Siegessäule
Aktivisten der Umweltschutzbewegung Extinction Rebellion blockieren die Zufahrten am Großen Stern an der Siegessäule
Quelle: REUTERS

Laut Polizei verliefen die Proteste friedlich. Neben den Blockaden der beiden Verkehrsknotenpunkte hätten sich einige Minuten lang etwa 80 Menschen unangekündigt auf einer Straße in Berlin-Mitte niedergelassen, sagte ein Polizeisprecher.

Festnahmen habe es im Zusammenhang mit den Extinction-Rebellion-Aktionen nicht gegeben. Auch die Teilnehmer eines angemeldeten Klimaprotestcamps vor dem Bundeskanzleramt seien „alle sehr kooperativ“. Das Protestcamp laufe störungsfrei. Die Bürger nähmen die Protestaktionen gelassen und hätten offensichtlich Alternativen eingeplant, schrieb die Polizei auf Twitter.

Mit den Blockaden und anderen Protestaktionen will die Umweltschutzbewegung von Montag an nicht nur in Berlin, sondern auch in anderen Großstädten in aller Welt auf die drohende Klimakatastrophe aufmerksam machen. Aktionen soll es unter anderem in London, Paris, Madrid, Amsterdam, New York, Buenos Aires sowie in den australischen Städten Sydney, Melbourne und Perth geben. Die Aktionen sollen mindestens eine Woche lang andauern. Wie genau sie dabei vorgeht, soll erst wenige Minuten vor Beginn der größtenteils unangemeldeten Aktionen bekannt gegeben werden.

Kanzleramtsminister Helge Braun (CDU) verurteilt die Protestblockaden. „Das geht natürlich gar nicht“, sagte Braun am Montag im „Morgenmagazin“ des ZDF. „Das Anliegen des Klimaschutzes, das teilen wir ja alle“, argumentierte der CDU-Politiker. Doch die Ankündigung gefährlicher Eingriffe in den Straßenverkehr sei nicht akzeptabel.

„Wir stören den alltäglichen Betriebsablauf“

Extinction Rebellion (auf Deutsch etwa: Rebellion gegen das Aussterben) kommt ursprünglich aus Großbritannien. Nach eigenen Angaben gibt es die Gruppe seit November vorigen Jahres auch in Deutschland. Sie fordert unter anderem, dass die nationalen Regierungen sofort den Klimanotstand ausrufen. Alle politischen Entscheidungen, die der Bewältigung der Klimakrise entgegenstünden, müssten revidiert werden. Schon bis 2025 müssten die vom Menschen verursachten Treibhausgas-Emissionen auf netto null sinken, verlangt die Gruppe. Zu den Blockaden erklärt die Gruppe: „Wir stören den alltäglichen Betriebsablauf, der unsere Lebensgrundlagen zerstört. Wir setzen den Protest so lange fort, bis die Regierungen angemessen reagieren.“

Aktivisten von Extinction Rebellion besetzen die Fahrbahn am Großen Stern um die Siegessäule
Aktivisten von Extinction Rebellion besetzen die Fahrbahn am Großen Stern um die Siegessäule
Quelle: dpa/Carsten Koall
Die Aktivisten von Extinction Rebellion mit Protestplakaten
Die Aktivisten mit Protestplakaten
Quelle: REUTERS

Eva Escosa-Jung von Extinction Rebellion sagte zu der ersten Aktion in Berlin: „Heute beginnt die weltweite Rebellion gegen das Aussterben. Wir stören, weil wir keinen anderen Weg sehen, um den umfassenden und tiefgreifenden Wandel herbeizuführen, der das Klima rettet.“ Die Klimapolitik der Regierung habe versagt. „Wälder brennen, die Meeresspiegel steigen, die Ozeane übersäuern, und weltweit sterben Wildtiere massenhaft aus – der Menschheit droht eine lebensbedrohende Katastrophe.“ Extinction Rebellion wende keine Gewalt, sondern Kreativität an.

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Anders als andere Bewegungen wie Greta Thunbergs Fridays for Future, sind die Aktivisten von Extinction Rebellion nach eigenen Angaben bereit, Gesetze zu brechen, um ihren Forderungen Nachdruck zu verleihen. Legale Demonstrationen und parlamentarische Prozesse hätten in den vergangenen 30 Jahren nicht zu den nötigen Veränderungen im Klimaschutz geführt, sagten die Veranstalter am Freitag. Dabei betonten sie allerdings stets, dass sämtliche Aktionen friedlich ablaufen sollten. Dafür sollten unter anderem Mediatoren sorgen, die Konflikte zwischen den Aktivisten und anderen – etwa Polizisten oder aufgehaltenen Autofahrern – während der Aktionen vermeiden sollten.

Die Regierungspartei SPD reagierte aufgeschlossen auf die Ankündigungen. „Ich verstehe die Ungeduld von vielen“, sagte die Interims-Parteivorsitzende Malu Dreyer. „Ich begrüße frühzeitige Aktionen jeglicher Art, die die Dringlichkeit der Aufgabe deutlich machen.“ Zugleich mahnte sie: „Natürlich gilt für alle, dass es gewaltfrei bleiben muss.“

Warnung vor „antidemokratischen Zügen“ der Forderungen

Die FDP hingegen warnte vor antidemokratischen Zügen der Bewegung. „Über die extremen Forderungen zum Klimaschutz hinaus stellen Aktivisten der Gruppierung offen die Demokratie in Frage“, sagte Parteichef Christian Lindner der Deutschen Presse-Agentur. „Klimaaktivisten und Grüne sollten sich von den antidemokratischen und teils totalitären Äußerungen aus dieser Gruppierung distanzieren.“ Klimaschutz sei keine Entschuldigung für Gewalt, die bei Blockaden ihren Ausgangspunkt nehme, sagte der Liberale.

Auch der Grünen-Politiker Boris Palmer kritisierte Extinction Rebellion. „Es gibt gute Gründe, endlich entschiedenes Handeln für den Klimaschutz zu fordern. Wer aber Demokratie und Rechtsstaat dafür über Bord wirft, wird ziemlich sicher auch den Kampf gegen den Klimawandel verlieren. Protest ja, Rebellion nein“, sagte der Tübinger Oberbürgermeister der „Bild“-Zeitung.

Jutta Ditfurth, ehemaliges Mitglied der Grünen und Mitbegründerin der Splitterpartei Ökolinx, distanzierte sich auf Twitter von der Bewegung. „Ich rate davon ab, mit Extinction Rebellion zusammenzuarbeiten und an den Aktionen von Extinction Rebellion (XR) am 7.10. in Berlin teilzunehmen“, schrieb sie am Sonntag. Extinction Rebellion schüre Emotionen, „die den Verstand vernebeln“. Kinder und Jugendliche sollten sich lieber an Aktionen von Fridays for Future beteiligen, „sofern diese nicht mit XR zusammenarbeiten“.

Das Verhalten während der Aktionen war auch Thema in einem sogenannten Klimacamp, das die Aktivisten bereits am Samstag im Berliner Regierungsviertel aufgeschlagen hatten. In Workshops und Diskussionsveranstaltungen bereitete Extinction Rebellion die Teilnehmer auf Demonstrationen und andere Protestformen vor. Bis zu 3000 Menschen kamen am Sonntag in das Camp zwischen Reichstag und Kanzleramt.

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2019-10-08 07:26:00Z
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