Trotz Warnungen der Behörden und fehlender Genehmigung sind in Moskau erneut zahlreiche Menschen auf die Straße gegangen. Die Polizei griff hart durch und nahm wieder Hunderte Demonstranten fest.
Erneut hat die Polizei in Moskau Hunderte Menschen bei einer nicht genehmigten Demonstration für faire und freie Wahlen festgenommen. Dem Bürgerrechtsportal OWD-Info zufolge kamen bis zum Samstagnachmittag 685 Demonstranten in Gewahrsam, unter ihnen auch akkreditierte Journalisten. Bei den Festnahmen seien Menschen verletzt worden. Das Innenministerium sprach von 600 Festnahmen und von rund 1500 Teilnehmern.
Nach Einschätzung von Reportern der Nachrichtenagentur AFP vor Ort war die Zahl jedoch deutlich höher, ließ sich aber schwer schätzen, weil sich die Kundgebung auf mehrere Viertel erstreckte. AFP-Reporter beobachteten nach Angaben der Agentur, wie die Polizei willkürlich Demonstranten herausgriff. Als Menschen immer wieder einzeln abgeführt wurden, riefen die Aktivisten "Schande, Schande" und "Russland wird frei sein".
Auf Bildern von der Kundgebung waren vermummte Polizisten zu sehen, die mit Knüppeln auf Demonstranten einschlugen. Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International verurteilte einen "unnötigen und exzessiven Einsatz von Gewalt".
Stadtzentrum abgeriegelt
Die liberalen Kräfte der Opposition hatten zu einem rund sieben Kilometer langen Spaziergang aufgerufen - eine Woche nachdem die Polizei gewaltsam gegen friedliche Demonstranten vorgegangen war und rund 1400 Menschen festgenommen hatte.
Die Sicherheitskräfte sperrten das Stadtzentrum mit Metallgittern weiträumig ab. Über dem Puschkinplatz, das Herzstück Moskaus, kreiste ein Hubschrauber. Dort waren auch viele Polizei- und Gefängnisbusse zu sehen, um Festgenommene abzutransportieren. Das Zentrum glich einer Festung. Die Sicherheitskräfte waren wie schon in der Vorwoche mit einem großen Aufgebot vor Ort. Sie erinnerten über Lautsprecher daran, dass sich alle an die öffentliche Ordnung halten sollten. Die Aktion sei nicht erlaubt.
"Das System führt sich immer aggressiver auf", sagte der prominente Rocker und Musikkritiker Artemi Troizki. Er stand am Twerskoj Boulevard und kritisierte die "verlogenen Diebe" in der Stadtverwaltung, die ehrliche und junge Leute an ihrem Wahlrecht hinderten, um ihre Pfründe zu sichern. "Wenn es bei uns früher autoritär war, so haben wir jetzt praktisch ein totalitäres System", sagte er. "Es ist schlimm, hier zu leben. Es ist ein unglückliches Land. Die Leute sind arm." Die Polizei ließ den bekannten Publizisten unbehelligt.
Oppositionelle Kandidaten nicht zugelassen
Die Protestierenden fordern, dass unabhängige Kandidaten und Oppositionelle zur Wahl des neuen Moskauer Stadtparlaments am 8. September zugelassen werden. Viele von ihnen waren nicht registriert worden, weil ihnen angeblich die notwendigen Unterschriften fehlten oder ihre Unterlagen Formfehler gehabt hätten. Insgesamt verweigerte die Wahlkommission 57 Kandidaten die Registrierung.
Das Moskauer Bürgermeisteramt bewilligte am Freitagabend zwei Kundgebungen für je 100.000 Teilnehmer am 10. und 11. August. Die Proteste richten sich auch gegen Behördenwillkür in Russland.
Prominente Oppositionelle festgenommen
Noch vor Beginn der Kundgebung nahmen Polizisten die Oppisitionelle Ljubow Sobol fest. Sie gehört zum Team des inhaftierten Politikers und Bloggers Alexej Nawalny, der eine 30-tägige Arreststrafe absitzt. Sobol befindet sich im Hungerstreik. Damit protestiert sie gegen den eigenen Ausschluss von der Kommunalwahl.
Der von den Behörden abgelehnte Oppositionskandidat Ilja Jaschin, der sich in einem zehntägigen Polizeigewahrsam befindet, warf den Sicherheitsbehörden vor, die Protestbewegung zu lähmen, indem "ihre Wortführer isoliert und Demonstranten eingeschüchtert" würden.
Ermittlungen gegen Nawalny-Fonds
Unterdessen leitete die russische Justiz Ermittlungen gegen Nawalnys Anti-Korruptionsstiftung ein. Sie wirft ihm Geldwäsche vor. Mitarbeiter der Stiftung hätten "eine große Geldsumme von Dritten bekommen", die "illegal" zustande gekommen sei, teilten Ermittler mit. Es gehe um eine Summe in Höhe von knapp einer Milliarde Rubel (13,8 Millionen Euro). Der Fonds recherchiert zu Korruptionsfällen bekannter Politiker, unter anderem geht es dabei um Regierungschef Dmitri Medwedew. Die Ergebnisse fasst Nawalny auf seinem Blog zusammen.
Deutsche Abgeordnete mahnen freie Wahlen an
Parlamentarier der deutsch-russischen Parlamentariergruppe im Bundestag äußerten sich in einem Brief an ihre russischen Kollegen besorgt über Moskaus Vorgehen vor der Kommunalwahl. Fünf Vize-Vorsitzende der Gruppe mahnten an, dass zu einer freien Wahl gehöre, "dass alle kandidieren können, die die Voraussetzungen hierfür erfüllen". Der Brief ist mit der Betreffzeile "Freie Wahlen und Freiheit des Mandats" überschrieben.
2019-08-03 17:11:00Z
https://www.tagesschau.de/ausland/moskau-proteste-115.html
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