Fortschritte im Irankonflikt, ein überraschend friedfertiger US-Präsident und Hoffnung auf ein Ende des Handelskrieges mit China: Emmanuel Macron ist es beim G7-Gipfel in Biarritz gelungen, Donald Trump zu zähmen.
Gipfeltreffen sind normalerweise routinierte Veranstaltungen in der Welt der internationalen Diplomatie, choreographiert wie ein Theaterstück: Themen und Programmpunkte stehen schon vorher fest, ebenso die Menufolgen, das Damenprogramm und die von Sherpas ausgehandelte Abschlusserklärung. Es wird selbst zentimetergenau auf dem Boden markiert, wer wo auf dem abschließenden Familienfoto steht.
Beim G7-Gipfel in Biarritz war in diesem Jahr vieles anders: Gastgeber Emmanuel Macron verzichtete schon vorab auf das übliche Schlusskommuniqué, "um freie und offene Diskussionen zu ermöglichen", wie er sagte. Und wohl auch, um zu verhindern, dass sich Donald Trump auf dem Rückflug von einem solchen wieder distanzieren konnte - so war es nach dem G7-Treffen 2018 in Kanada geschehen.
Außerdem ließ das Programm in Biarritz Platz für viele unvorhergesehene Begegnungen. Am Ende dieser zweieinhalb Tage weiß man: Das offene Format hat dazu beigetragen, dass der Gipfel ein Erfolg war.
Das bemerkenswerteste Zweiertreffen fand am Samstagmittag statt, als Macron dem US-Präsidenten ein Mittagessen vorschlug, nachdem er ihn "rein zufällig" in der Hotelhalle getroffen hatte. So zufällig, wie man eben auf einer Hochsicherheitsveranstaltung mit 24-Stunden-Überwachung jemanden treffen kann. Zwei Stunden sprachen die beiden anschließend miteinander, ohne Dolmetscher, nur zu zweit. Keine Routineveranstaltung.
Ungewohnte Konzilianz bei Trump
Trotzdem sah es in den ersten Tagen dieses G7-Treffens noch so aus, als werde es ein Gipfel der Äußerlichkeiten. Ein neues Format, viele Gäste, vor allem aus Afrika, eine Bilderbuchkulisse an der Atlantikküste und schließlich Macrons Scoop, der Blitzbesuch des iranischen Außenministers Javad Zarif am Sonntagnachmittag (mehr dazu lesen Sie hier). Inhaltlich aber gab es lange keinen Durchbruch.
Das änderte sich am Montag, der Gipfel gewann an Substanz. Ihm gehe es nicht um einen Regimewechsel in Iran, sagte US-Präsident Donald Trump da in einem öffentlichen Statement. Deshalb habe er Macrons Vorschlag, den iranischen Außenminister nach Biarritz einzuladen, auch zugestimmt. Er habe ihn nur noch nicht selbst treffen wollen, dazu sei es noch zu früh.
Auch wenn man um die geringe Halbwertszeit der Aussagen Trumps weiß, ist so viel Konzilianz gegenüber dem größten Staatsfeind ungewöhnlich. Selbst wenn die Amerikaner in Hintergrundgesprächen betonten, dass sie bei den Öl-Sanktionen gegen Teheran nicht nachgeben wollten.
In der gemeinsamen Abschlusspressekonferenz von Trump und Macron kündigte der französische Präsident schließlich an, es seien nun die Voraussetzungen für ein Treffen zwischen dem iranischen Präsidenten Rohani und Donald Trump geschaffen. Er habe noch am Morgen mit Rohani telefoniert. Trump sagte, wenn die Umstände stimmten, wäre er zu einem Treffen bereit.
"Unsere Beziehung war nie besser"
Versöhnliche Töne gab es auch gegenüber den Chinesen, mit denen sich die USA in einem erbitterten Handelsstreit befinden. Er sehe es als einen "sehr positiven Schritt" an, dass chinesische Offizielle sich am Abend gemeldet hätten und "einen Deal machen wollen", sagte Trump. Aus der chinesischen Delegation verlautete zuvor, man sei an "ruhigen" Verhandlungen interessiert.
Trumps persönliche Gipfelbilanz fiel dann auch geradezu euphorisch aus: Ein "sehr erfolgreiches" Treffen sei es gewesen, "sehr freundlich", große Fortschritte seien erzielt worden. Es seien "besondere, sehr einigende Tage" gewesen. Dann schwärmte Trump von seinem Mittagessen mit Macron: "Es war das beste Meeting, das wir je gehabt haben. Unsere Beziehung war nie besser."
Drei Tage Biarritz schienen den US-Präsidenten zumindest kurzfristig zu einem friedfertigeren Menschen gemacht zu haben. Trump zeigte sich sogar in der Frage von Autozöllen gegen Deutschland gesprächsbereit. Und auch bei der von Frankreich geforderten Digitalsteuer für amerikanische Internetunternehmen deutete sich seit Biarritz Entspannung an, es könnte zu einer internationalen Lösung im Rahmen der OECD kommen. Es sei denn, Trumps Welt ist morgen nicht schon wieder eine andere und er lässt sich auf dem Rückflug von seinen Sicherheitsberatern zu einem härteren Kurs bewegen.
Doch selbst die Kanzlerin, nicht unbedingt für Euphorieausbrüche bekannt, bezeichnete es als einen "großen Fortschritt", dass die USA wieder Gesprächsbereitschaft mit Iran signalisiert haben. Auch wenn dies ein "ungeheuer fragiler, langer und schwieriger" Prozess sei.
Trotz aller Fortschritte blieben bei dem Treffen viele Fragen offen: Boris Johnson, der britische Premierminister, brachte keine neuen Ideen für eine Brexit-Einigung mit der EU mit. Es hieß lediglich, Johnson strebe an, der EU für den Austritt statt 39 Milliarden Pfund nur 9 Milliarden zahlen zu wollen. Die deutsche Delegation nahm den Vorschlag nicht sonderlich ernst.
Auch wie die neue gemeinsame Sahel-Initiative von Angela Merkel und Macron aussehen soll, blieb seltsam vage. Und das eigentliche Kernthema des Treffens, der Kampf gegen die Ungleichheit, wurde von immer neuen Wendungen und Überraschungsgästen aus Iran verdrängt. Und auch das Metathema Klima ging weitgehend unter - selbst wenn am Ende eine Charta zur Biodiversität verabschiedet wurde. Dafür herrschte Einigkeit bei den Teilnehmern, Brasilien und seinen Nachbarn Unterstützung in Millionenhöhe für die brennenden Regenwälder im Amazonas zu gewähren.
Was wird von all dem bleiben - von den vielen Versprechungen, Ankündigungen und in Aussicht gestellten Millionen? Wie so oft wird man das erst in einigen Wochen und Monaten wissen. Aber immerhin, Macron und auch Merkel haben Folgekonferenzen zu einigen Themen noch in diesem Jahr angekündigt. So soll es laut Macron im September unter deutsch-französischer Vermittlung einen neuen Versuch geben, den Konflikt zwischen Russland und der Ukraine beizulegen.
Die Tageszeitung "Le Monde" lobte den Wagemut und die Entschlossenheit, mit der Macron den Gipfel geführt habe. Und in der Tat, der Überraschungsbesuch des iranischen Außenministers am Sonntag barg Risiken, er hätte zu neuen Verwerfungen mit den USA führen können. Das aber geschah nicht - auch weil Macron es verstand, Trump einzuhegen. Schon vor dem Gipfel hatte er Trump in einem langen Telefonat über seine Iranstrategie und den Stand der Gespräche informiert. Das Update erfolgte dann beim "Working Lunch" am Samstag.
Drei Tage vor dem Gipfel hatte Macron erklärt, man dürfe von diesen internationalen Formaten nicht zu viel erwarten. Entscheidend in diesen krisenhaften Zeiten sei es, mit allen, wirklich allen zu reden.
Sollte es im Irankonflikt tatsächlich zu einer Deeskalation kommen, und sollten sich Chinesen und Amerikaner auf eine Friedensinitiative in ihrem Handelskrieg verständigen können, wären dies die eindeutigsten Verdienste von Biarritz. Es gibt noch einen anderen: Der Gipfel scheint in dem neuen Format wieder zu einem Arbeitstreffen geworden zu sein. Auch das ist eine gute Nachricht.
2019-08-26 18:14:00Z
https://www.spiegel.de/politik/ausland/g7-gipfel-in-biarritz-emmanuel-macrons-strategie-ging-auf-a-1283772.html
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